Der Start der neuen Steuersoftware im Februar 2021 sei "suboptimal" verlaufen, hatte die Dienststelle Steuern des Kantons erklärt. Zahlreiche Nutzer waren mit der Software anfänglich nicht zurechtgekommen.
Auch die Beschaffung war kritisiert worden, weil sie nicht öffentlich ausgeschrieben worden war.
Die 'Luzerner Zeitung' hat nun Einsicht in die öffentlich zugänglichen Statistiken zu den Beschaffungen der Dienststelle Steuern verlangt. Demnach hat diese in den letzten drei Jahren Aufträge mit einem Gesamtwert von 2,78 Millionen Franken vergeben, wovon keiner öffentlich ausgeschrieben worden war.
Der Auftrag für die neue Steuersoftware ging an die Zürcher Firma Information Factory, welche die Software seit 15 Jahren entwickelt. In der Beschaffungsstatistik würde die Kosten für die neue Software nun mit 244'000 Franken beziffert, so die
'Luzerner Zeitung' (Paywall). Für den Betrieb des Helpdesks bezahlte der Kanton pauschal 38'000 Franken. Dazu hatte Information Factory seit 2019 weitere Aufträge für eine Scan-App oder ein Tool für die Quellensteuerabrechnungen von Firmen erhalten – insgesamt Aufträge im Wert von 516'000 Franken.
Folgeaufträge seit 2008 oder noch länger
Von den erwähnten 2,78 Millionen Franken ging der Hauptanteil in der Höhe von 1,94 Millionen Franken an die Krienser Firma KMS, die ein neues Modul für ihre Veranlagungssoftware lieferte.
Wie die Zeitung schreibt, würden KMS und Information Factory bereits seit mehreren Jahren immer wieder freihändige Aufträge der Dienststelle erhalten. So habe KMS 2008 als einzige Anbieterin den Zuschlag für die Veranlagungssoftware bekommen. Kalkuliert worden sei mit Investitionskosten von 11,5 Millionen Franken und Betriebskosten von rund 7,5 Millionen für die ersten zehn Jahre. Aber auch nach Ablauf der zehn Jahre würde KMS nun weiter freihändig vergebene Folgeaufträge erhalten.
Ein weiteres Beispiel sei die Firma Imageware aus Ittigen. Diese habe vor 20 Jahren für 430'000 Franken eine "EDV-Standardapplikation für die Dokumentenverwaltung und Archivierung" geliefert. Und erhalte seither Folgeaufträge, wenn auch zu vergleichsweise tiefen Kosten.
Maximaldauer für Folgeaufträge: fünf bis zehn Jahre
Das zuständige Finanzdepartement erklärte zu diesem kleinen Kreis an beauftragten Firmen gegenüber der Zeitung, es handle sich ausschreibungsrechtlich um Einzelvorhaben, die "nicht kausal zusammenhängen", und nicht um ein Fehlverhalten. "Das hat damit zu tun, dass es auf dem Schweizer Markt nicht immer Konkurrenzprodukte gibt oder weil die Investitionskosten sowie das Projektrisiko bei einem Produktewechsel unverhältnismässig gross wären."
Nicolas Diebold, Ordinarius für öffentliches Recht und Wirtschaftsrecht an der Universität Luzern, hatte bereits die freihändige Vergabe der Steuersoftware kritisiert. Nun sagte er zur 'Luzerner Zeitung': "Werden Folgeaufträge länger als zehn Jahre ohne Ausschreibung vergeben, sind die Anforderungen an die Begründung sehr hoch." Die Maximaldauer für Folgeaufträge betrage "in der Regel fünf bis zehn Jahre".
Die Auftraggeber müssten ihre Softwarebeschaffungen so planen, "dass möglichst kein Abhängigkeitsverhältnis entsteht und dass keine Freihandvergaben nötig werden", so Diebold. Oft werde aber davon ausgegangen, dass öffentliche Aufträge ohne Ausschreibung an das lokale Gewerbe oder an bewährte Anbieter vergeben werden sollten. Doch die öffentliche Hand sollte "ihre Bemühungen nicht auf die Umgehung, sondern auf die Umsetzung des Ausschreibungsverfahrens richten".