Eine von privaten Anbietern herausgegebene und staatlich kontrollierte E-ID ist vor dem Schweizer Stimmvolk gescheitert. Gemäss den Endresultaten aus den Kantonen erreichte das Bundesgesetz über die elektronischen Identifizierungsdienste nirgends eine Mehrheit. Unter dem Strich lehnten 64,4% der Stimmenden die Vorlage ab.
"Leider ist es uns nicht gelungen, einer Mehrheit der Bevölkerung die Wichtigkeit einer anerkannten Schweizer E-ID und einer erfolgreichen Digitalisierung zu vermitteln", schreibt die Allianz für eine Schweizer E-ID. Nicolas Bürer, Geschäftsführer von Digitalswitzerland, appellierte an die Politik, das Dossier rasch wieder aufzunehmen.
Der Ball liegt nun wieder bei Bundesrat und Parlament. Auch die Gegner des E-ID-Gesetzes wollen eine rasche Lösung. Die Digitalisierung müsse vorangetrieben werden, lautete der Tenor am Abstimmungssonntag.
"Zeit im Digitalisierungsprozess verloren"
Die E-ID sei ein wichtiges Element für Innovationen in der zunehmend digitalisierten Wirtschaft, schreibt der Schweizerische Gewerbeverband (SGV). Mit der Ablehnung des Gesetzes hätten die Gegner nichts gewonnen, aber die Schweiz viel Zeit im Digitalisierungsprozess verloren. Dies sei ein Rückschritt für die Weiterentwicklung des E-Government.
"In der Schweiz kann die Digitalisierung in ihren wesentlichen Aspekten weiterhin nicht vorangetrieben werden – es bleibt beim Status quo", schreibt SwissID-Anbieter SwissSign Group. Die E-ID-Lösung der Gruppe sei vom Abstimmungsresultat nicht betroffen und bleibe in ihrer heutigen Form bestehen. Der Service soll auch weiter ausgebaut werden. Für Mai kündigt die Gruppe einen auf der SwissID basierenden elektronischen Unterschriftsservice an.
Das Nein an der Urne bedeute aber, dass keine Harmonisierung der regulatorischen Grundlagen betreffend digitale Identitäten erfolge, schreibt SwissSign.
E-ID als Service public
Das klare Nein an der Urne sei ein Ja für eine staatliche E-ID, schreibt die Digitale Gesellschaft. Die Herausgabe und der Betrieb gehöre als Service Public unter demokratische Kontrolle und müsse dem Grundprinzip der Datensparsamkeit Rechnung tragen. Ein Grundsatzproblem des vorgeschlagenen Gesetzes sei gewesen, dass es nicht auf Daten-Sparsamkeit ausgelegt war, kritisierten die Gegner im Vorfeld.
Auch die Gewerkschaft der Medien-, ICT- und Logistikbranchen Syndicom sieht eine Schweizer E-ID-Lösung als Service public. Eine E-ID bringe erst dann den grössten Nutzen, wenn sie von allen für möglichst viele staatlich und behördliche Dienste genutzt werden könne. Eine von privaten, kommerziellen Interessen kontrollierte E-ID wäre daher schädlich gewesen, so die Gewerkschaft.
"Wir stehen vor einem Dilemma"
Wie es zu einer relativ schnellen, tragfähigen Lösung kommt, in die das Volk Vertrauen haben kann, ist offen. Die Linken kündigten an, bald Vorstösse dazu einzureichen. Eine Möglichkeit ist laut Co-Referendumsleiter Erik Schönenberger die Lancierung der neuen Identitätskarte in zwei Jahren. Allenfalls könne man diese mit einem Chip ergänzen – dies könnte eine sichere und kostengünstige Lösung sein.
Unser Kommentar: E-ID-Nein: Das perfekte Debakel
Justizministerin Karin Keller-Sutter dämpfte die Erwartungen für eine rasche Alternative. "Das Resultat bedeutet nicht automatisch, dass es eine Mehrheit zu einer rein staatlichen Lösung gibt." Das Stimmvolk habe am Abstimmungssonntag ein gewisses Malaise zur fortschreitenden Digitalisierung zum Ausdruck gebracht. Es sei nun wichtig, dass sich der Bundesrat und die Parteien mit den Unsicherheiten und Ängsten in der Bevölkerung auseinandersetzten.
Inhaltlich wolle sie der Debatte nicht vorgreifen, sagte die Justizministerin. Ihr Departement werde dem Bundesrat aber bald ein Aussprachepapier zum weiteren Vorgehen unterbreiten.
Keller-Sutter zählte verschiedene Nachteile einer staatlichen Lösung auf: Der Staat müsste sich für eine Technologie entscheiden und wäre dann Jahre daran gebunden – auch wenn neue, bessere Lösungen kommen würden. "Wir stehen vor einem Dilemma."
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