Die USA wollen mehr Halbleiter auf heimischem Boden produziert sehen. Mitte Mai 2020 hatte der taiwanesische Chiphersteller TSMC angekündigt, im Bundesstaat Arizona eine Fertigungsstätte aufzubauen und bis 2029 rund 12 Milliarden Dollar zu investieren. Anfang Juni dann forderte die US-Chipbranche 37 Milliarden Dollar für den Bau einer Fabrik und Forschungsprojekte. Und nun der neuste Streich: Eine Gruppe von US-Senatoren will 22 Milliarden Dollar für die heimische Chipindustrie, damit diese eine neue Fabrik aufbauen kann.
Das liegt ganz im Interesse der Trump-Regierung und deren Leitmotto: "America first". Es ist zum einen zu verstehen als Reaktion auf den mehr als schwelenden Handelskonflikt mit China. Zum anderen haben die Pandemie und die staatlichen Massnahmen aller Welt vor Augen geführt, wie eine hochintegrierte Weltökonomie die Nationalstaaten von den internationalen Lieferketten abhängig macht.
Die Supply-Chains waren zum Teil erheblich gestört, wie etwa der deutsche, auf Lieferketten spezialisierte Verband BME festgestellt hat: Mitte Mai hatte eine Umfrage unter seinen fast 10'000 Mitgliedern ergeben, dass über die Hälfte der Firmen durch den Einkauf stark bis kritisch beeinträchtigt waren.
"China darf nicht die kritischen Lieferketten kontrollieren"
Einer der US-Senatoren, der die Milliarden für die heimische Chipindustrie fordert, sagte zum 'Wall Street Journal': "Fortgeschrittene Mikroelektronik ist für die künftige Technologieführerschaft der USA von entscheidender Bedeutung. Wir können der KP Chinas nicht erlauben, diese kritischen Lieferketten zu kontrollieren."
Zwar zählt die USA etwa mit Intel oder GlobalFoundries die grössten Chiphersteller der Welt. Aber laut Semiconductor Industry Association, einer Vereinigung der US-Halbleiterindustrie, werden nur gerade 12% der Chips auf US-Boden hergestellt. Dies weil Verlagerungen nach Asien, Israel und Irland stattgefunden haben, wie das
'Wall Street Journal' (Paywall) festhält.
Ein Vergleich mit den 1930er-Jahren drängt sich auf
Vor diesem Hintergrund warnen nun Wirtschaftskommentatoren vor einer Renationalisierung und einer Verschärfung des Protektionismus. Die renommierte Zeitschrift
'Foreign Policy' sprach kürzlich – lange nicht als einziges Medium – von einem drohenden "Decoupling", einer Entkoppelung der Wirtschaftsräume, insbesondere der USA und China. Dabei zog das Magazin, das auf die Aussenpolitik der USA spezialisiert ist, eine Parallele zu den 1930er Jahren, als in der Krise der Welthandel einbrach und nationale Alleingänge an Fahrt gewannen. Die Angst wird dadurch befeuert, dass in den letzten Jahren nicht nur in den USA rechte Kräfte im Aufwind waren, die den nationalen Alleingang proben.
Die Manöver der USA gegen Huawei, dem unter anderem
der Kauf von US-Chips verwehrt wird, üben Druck auf China aus – torpedieren aber zugleich die heimische Chipindustrie, die grosse Mengen an Huawei lieferte.
China wiederum hat etwa mit gigantischen Expansionsprojekten wie der "neuen Seidenstrasse" nicht gerade den Eindruck erweckt, als habe es keine Ambitionen auf einen grösseren Teil des Weltmarktes. Derzeit ist das Reich der Mitte noch in grossem Stil vom Import von ausländischen Chips abhängig. China hat derweil in seiner
Strategie "Made in China 2025" definiert, dass strategisch wichtige Materialien in China selbst hergestellt werden sollen.
Die EU investieren gross in die eigene Unabhängigkeit
Die Versuche im eigenen Land Ressourcen aufzubauen, um mehr Autarkie zu erlangen, sind längst nicht auf China und die USA beschränkt. Grosse Nationalökonomien oder Unionen mit Ambitionen scheinen hier nachzuziehen: So hat die EU kürzlich ihren
europäischen Datenraum lanciert, der sich explizit gegen die Abhängigkeit von grossen chinesischen und US-Techfirmen richtet.