Was Erfolgsfaktoren eines Schweizer Labels für "Digital Trust" sind

6. Mai 2021 um 14:30
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Eine von Digitalswitzerland initiierte Stiftung publiziert eine Presales-Präsentation für ein globales "Trust Label".

Vermutlich hatten schon prähistorische Gesellschaften "Ethik" mit Kriterien für gutes und schlechtes Handeln und für die Bewertung von Motiven und die Konsequenzen.
Wie viele Werte, Normen und Tugenden es seit der Urzeit gab und aktuell weltweit gibt, ist nicht inventarisiert worden. Aber Technologie-Firmen, Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen, Ethik-Boards von Konzernen und Philosophen würden gerne beispielsweise die "Ethik der Algorithmen" in Worte giessen. Die Swiss Digital Initiative widmet sich dem Thema "Vertrauen in Technologie" im ethischen Kontext.
Die dem Bundesrat Ueli Maurer und seinem Finanzdepartement nahestehende private Stiftung – Maurer ist Schirmherr und sein Departement wirbt für sie – würde gerne ein "Swiss Digital Trust Label" etablieren. Auf globaler Ebene, weswegen die von Digitalswitzerland initiierte Stiftung in Genf ansässig ist und von Doris Leuthard präsidiert wird. Die Altbundesrätin sieht sich in diesen Themen als gut positioniert, und sie wird bereits auch als erste UNO-Gesandte für Technologie gehandelt.
Bemerkenswerterweise ist der nun publizierte Report auch als Teil der Nationalen Strategie zum Schutz der Schweiz vor Cyber-Risiken (NCS) erarbeitet worden.
Im Papier befassen sich die Autoren aber nicht mit konkreten inhaltlichen Aspekten, sondern ziehen es vor, eine Auslegeordnung von 50 unterschiedlichen Initiativen zu machen. Die 12 als vielversprechend qualifizierten und vertieft vorgestellten Konzepte stammen ausschliesslich aus der westlichen Hemisphäre, aus Finnland, Deutschland, oder von Apple. Offenbar fielen Ideen von Tech-Giganten wie Indien oder China aus den Traktanden.
Entsprechend sind die Antworten – was zeichnet vertrauenswürdige digitale Produkte aus? – naheliegend: Schutz der Privatsphäre, Sicherheit und Transparenz.
Die Erkenntnisse darüber, was eine Organisation hinter einem Label auszeichnet, bilden die erste Presales-Präsentation – die Verkaufsphase vor der Verkaufsphase für die Swiss Digital Initiative selbst. Die Bekanntheit des Labels sei wichtig, es müsse sich um eine starke und bekannte Organisation handeln oder die Finanzierung der Label-Organisation müsse transparent sein, heisst es dazu unter anderem.
Diese Rahmenbedingungen hätte man auch mit einer Kurzanalyse der Geschichte hinter dem der Forest Stewardship Council und dem FSC-Label für nachhaltige Forstwirtschaft lernen können. Ebenso, was allfällige Risiken für ein globales Label in komplexen Themen betrifft.

Die Marke "Schweiz" fördern

Sich heute für Ethik-Initiativen und ein "Digital Trust Label" zu engagieren, schreiben die Autoren im Papier, sei "eine sehr interessante Möglichkeit, sich im Zentrum der Debatte über digitale Technologien und deren globale Governance zu positionieren." Und, so heisst es weiter, "diese Unterstützung fördert die Marke 'Schweiz' als Ökosystem an der Spitze der Innovation, das die verantwortungsvolle Regierungsführung, stärkt die Wirtschaft und Menschenrechte in der digitalen Welt zu fördern."
In der frühen Phase gehe es um den Austausch von Erfahrungen und den Austausch von "Best Practices". Und natürlich würde – bei Konferenzen in Genf – die Swiss Digital initiative "diese Gelegenheit nutzen, um sich und das internationale Genf als Hub für eine solche vertiefte Zusammenarbeit zu positionieren."
Am besten solle die Schweiz einen menschenrechtlichen Ansatz für Labels für digitale Dienstleistungen und einen inklusiven (Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft aus aller Welt) fördern, heisst es.
Erste Ideen eines solchen Swiss Digital Trust Labels sind laut dem Papier in Erarbeitung. 8 Testpartner aus dem öffentlichen und privaten Sektor seien beteiligt. Genannt werden Axa, Booking.com, Kanton Waadt, Credit Suisse, IBM Schweiz, SBB, Swiss Re und Swisscom. Verschiedene dieser Testpartner haben einschlägige Erfahrungen mit Vertrauenskrisen und Regulierung als Vertrauensersatz gesammelt, könnten also umfassenden Input geben.
Und zur Definition des Begriffs "Vertrauen" und wie dieser mit "Ethik" verknüpft sein soll, wird sich die Swiss Digital Initiative sicher auch noch äussern. Beruht er auf Erkenntnissen der Soziologie, Psychologie, Philosophie, Betriebswirtschaft, Politologie oder Anthropologie? Und welches Ethikkonzept liegt darunter: Handlungsprinzipien des Silicon Valley, des Vatikans, von UNO-Konventionen oder irgendeiner Justiz? Und wie sehen die Konsequenzen für "gutes" oder "schlechtes" Verhalten aus, deren Definition als wesentlich für jede ethische Wertung gelten?
Es wird spannend sein, was die hinter der Swiss Digital Initiative stehenden Kräfte, Digitalswitzerland, deren Mitglieder, das Finanzdepartement oder die Testpartner für konkrete Ideen entwickeln, oder ob es bei Events bleibt. Was laut der Swiss Digital Initiative für ein wünschbares "Trust Label" feststeht: "Praxisorientiert" soll es sein.

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