Wie die EU-Kommission die Tech-Konzerne regulieren will

16. Dezember 2020 um 14:30
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Es liegen Gesetzesvorschläge auf dem Tisch, die eine Zerschlagung von Google und Co. erlauben würden. Aber, aber, aber… eine Analyse.

Happige Bussen und griffige Regulierungen sollen Facebook, Google und Co. in neue regulatorische Schranken weisen: Die Stossrichtung der Ideen der EU-Kommission waren schon im Vorfeld durchgesickert, nun sind die Vorschläge zur Förderung des digitalen Wettbewerbs und zum Schutz der Menschen vor Online-Schäden publik.
Und sie sind noch härter ausgefallen, als vermutet.
Die Ankündigung stellt einen Wendepunkt für die EU-Kommission von Ursula von der Leyen dar, die die sogenannte "technologische Souveränität" und die Bemühungen, die Rolle der EU in den digitalen Märkten zu stärken, zu einem zentralen Punkt ihrer legislativen Agenda gemacht hat.
Unter den Vorschlägen, die als "Digital Markets Act" und "Digital Services Act" betitelt sind, werden grosse Online-Plattformen wie Google, Amazon und Facebook mit neuen Grenzen konfrontiert, wie sie ihre Online-Imperien ausbauen können. Halten sie diese nicht ein, müssen mit sie mit "Abgaben" von bis zu 10% ihres weltweiten Umsatzes rechnen ‒ potenziell Milliarden Euro ‒, falls sie kleinere Konkurrenten auf unfaire Weise behindert haben.
Das Kernstück von Europas digitalen Plänen zielt darauf ab, den Online-Wettbewerb in der von US-Tech-Konzernen dominierten Welt zu stärken. Zu einem der Vorschläge gehört, dass im "Digital Markets Act" sogenannten "Gatekeepern" oder Online-Playern, die dominieren, wie andere Unternehmen mit Online-Nutzern interagieren, neue Verpflichtungen auferlegt werden.

Kleine Mitbewerber sollen geschützt werden

Damit will die EU-Kommission sicherstellen, dass diese Plattformen andere nicht daran hindern, um Nutzer zu konkurrieren. Die Regeln werden Unternehmen regulieren, die digitale Dienste wie Online-Suche, soziale Netzwerke, Video-Sharing-Plattformen, Cloud, Messaging, Betriebssysteme, Online-Marktplätze und Werbeprodukte anbieten.
Apple zum Beispiel könnte Einschränkungen bei der Werbung für seine neue Suite digitaler Dienste erfahren, während Google bei der Platzierung seiner eigenen Produkte an der Spitze der Suchergebnisse eingeschränkt werden könnte. Ausserdem sollen diese Firmen keine Mitbewerber von ihren App Stores ausschliessen dürfen.
Nicht zuletzt will die Kommission alle Übernahmen von Startups durch diese Konzerne genauer prüfen, um zu verhindern, dass kleine Mitbewerber einfach aus dem Markt gekauft werden.
In den gravierendsten Fällen würden die EU-Regulierungsbehörden mehr Befugnisse erhalten, um Unternehmen zu zerschlagen, falls diese das neue Regelwerk der EU missachten.
Brüssel hat zudem auch separate Geldstrafen von bis zu 6% des Jahresumsatzes für Big-Tech-Unternehmen ‒ mit mindestens 45 Millionen Nutzern in der EU ‒ skizziert, die es versäumen, die Verbreitung von illegalem Material, von Hassreden bis hin zu gefälschten Produkten, in ihren Netzwerken zu begrenzen.
"Je grösser sie sind, desto mehr Verpflichtungen müssen sie erfüllen", sagte Thierry Breton, der französische Kommissar, der die Vorschläge mit entworfen hat und als Kritiker von Big Tech gilt.

Endgültige Regeln frühestens 2023

Allerdings werden noch Jahre ins Land ziehen, bis diese Vorschläge in Gesetze gegossen werden. Das Europäische Parlament und die Mitgliedsländer werden sich nun einschalten und weil diese sich nicht einig sind, werden endgültige Regeln frühestens 2023 erwartet.
Zu den Gegnern zählt Irland, das steuergünstige Domizil von Apple, Facebook, Google und Microsoft. Und die Konzerne selbst werden sich nach Kräften dagegen wehren und vermutlich die Gerichte anrufen. Ein Hauptargument lautet bis anhin, dass die Gesetze gegen spezifische Firmen gerichtet seien, und nicht an alle Firmen.
"Wir sind besorgt, dass (die Vorschläge, Anm. d. Red.) anscheinend speziell auf eine Handvoll Unternehmen abzielen und die Entwicklung neuer Produkte zur Unterstützung kleiner Unternehmen in Europa erschweren", sagte Karan Bhatia, Googles Vice President of Government Affairs and Public Policy, in einer Erklärung.

Facebook und Apple im Wortstreit

Allerdings sind sich die Konzerne untereinander nicht einig, denn die Geschäftsmodelle sind nicht immer kompatibel. So kommentierte Facebook die Vorschläge damit, man hoffe, dass diese Grenzen für Apple setzen könnten. Apple kontrolliere ein ganzes Ökosystem, vom Gerät bis zum App-Store und den Apps und nutze diese Macht zum Schaden von Nutzern und Entwicklern aus. Apple, oft wortkarg, schoss laut 'Reuters' sofort zurück: "Wenn invasives Tracking Ihr Geschäftsmodell ist, dann sind Transparenz und Wahlmöglichkeiten für den Kunden eher nicht willkommen."
Bei der zweiten Vorlag "Digital Services Act", die Content reguliert, ist laut 'Politico' nicht klar, wie genau die Überwachung beispielsweise von Hassreden bei unterschiedlichen nationalen Gesetzen durchgesetzt werden soll.
Nicht zuletzt könnten die USA Druck gegen die Vorschläge ausüben, da sie primär US-Konzerne betreffen. Die Positionen der künftigen Biden-Administration sind aber noch unklar, und möglicherweise hat sich das Blatt auch in ihrer Heimat gegen die Tech-Konzerne gewendet, darauf deuten mehrere Untersuchungen und Klagen hin.
Falls es die EU schafft, wasserdichte und gemeinsame Gesetze zu formulieren, so dürfte die Umsetzung jedenfalls noch weitere Jahre dauern. Zudem ist nicht anzunehmen, dass die Konzerne sich nur für Europa selbst neu ausrichten. Es stehen also spannende Zeiten bevor.

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