Prantl behauptet: There is no free lunch

30. Oktober 2023 um 10:34
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Warum die mögliche Einführung einer Nutzungsgebühr bei Social-Media-Plattformen eine positive Entwicklung wäre, erläutert unser Kolumnist Urs Prantl.

"Was würden User für Facebook oder Instagram bezahlen?", fragte die 'NZZ' letzte Woche .
In dem Beitrag wurde unter anderem eine Studie publiziert, wonach 50% der Social-Media-Anwenderinnen und -Anwender, wenn sie eine Entschädigung von 100 Dollar pro Monat bekämen, ganz auf die Nutzung von Facebook verzichten würden. Weiter war zu lesen, dass Mark Zuckerberg plant, in der EU für Facebook eine monatliche Abogebühr von 13 Euro und für Instagram eine solche von 6 Euro einzuführen. Ob dies auch für die Schweiz gelten würde, blieb offen. Vermutlich würden die Abopreise ohnehin auf die Schweizer Kaufkraft angepasst und daher um mindestens 50% höher ausfallen.

Big Tech reagiert auf EU-Vorgaben

Facebook und Instagram bringen ihre Vorschläge für eine Abo-Gebühr selbstverständlich nicht freiwillig in die Diskussion. Sie werden dazu gezwungen und sind eine Reaktion darauf, dass die EU die Verwendung personalisierter Daten durch Meta und andere Internetkonzerne einschränken will.
EU-Bürgerinnen und -Bürger mit kostenpflichtigem Abo hätten also ein werbefreies Facebook und Instagram; gleichzeitig dürften ihre Daten nicht mehr für Werbezwecke "missbraucht" werden.
Damit wäre das aktuelle Geschäftsmodell des Meta-Konzerns – mindestens in der EU und damit in einem essenziellen Teil der Welt – Makulatur. Gleichzeitig, und das stellt der Artikel in der 'NZZ' in seinem Schwerpunkt fest, würde die Nutzung von Facebook und Instagram erstmals bepreist und bekäme damit einen wirtschaftlich klar definierten Wert. Heute, wo wir alle "bloss" mit unseren Daten bezahlen, liegt dieser Wert weitgehend im Dunkeln.

Eine gute Entwicklung aus 3 Gründen

  1. Eine Abogebühr würde für die beiden weltweit populärsten Social-Media-Netzwerke den Konsumierenden unmissverständlich klarmachen, dass sich Software nicht einfach von selbst entwickelt und damit auch nicht gratis sein kann. Auch wenn die Grenzkosten für zusätzliche Nutzer nahezu bei null liegen, so muss die Software dennoch betrieben und – im Falle von Social Media – sogar aufwendig moderiert werden. Das wird alles nach wie vor zu einem Grossteil von Menschen gemacht, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Wer das nicht versteht, soll sich fragen, ob er denn selbst gratis arbeiten würde.
  2. Zweitens darf es nicht sein, dass Tech-Unternehmen unter dem Deckmantel einer quasi unvermeidlichen Fortschrittsdisruption (Menschen)Rechte einfach so mir nichts, dir nichts aushebeln können. Das fängt beim Recht an den eigenen Daten an (verletzt von Facebook, Instagram und Co.) und gilt weiter für Arbeitnehmerschutzrechte wie Kündigungsschutz, Sozialversicherungsschutz oder Arbeitszeiten (verletzt beispielsweise von Uber dort, wo ihre Fahrer nicht als Arbeitnehmende qualifiziert werden) oder für Wohnrechte, welche in vielen grossen Städten beispielsweise von Airbnb so eingeschränkt werden, dass bezahlbarer Wohnraum für Normalverdienende kaum noch erschwinglich ist. Ich bin zwar ein grosser Freund davon, verkrustete Strukturen gelegentlich – auch disruptiv – aufzubrechen und deutlich besseren Lösungen Platz zu machen. Der Massstab dafür muss aber der massiv verbesserte Kundennutzen sein. Jahrzehnte lang erkämpfte soziale und gesellschaftliche Fortschritte dürfen dafür hingegen nicht geopfert werden.
  3. Drittens erwarte ich (vielleicht auch etwas naiv), dass die Inhalte auf Facebook und Instagram mit einer Abogebühr besser, das heisst relevanter, "wahrer" und damit weniger toxisch würden.
"There is no free lunch." Die von der EU forcierte Entwicklung macht den Social-Media-Usern – immerhin in der EU – endlich klar, dass dies auch für sie gilt. Nicht, dass sie das nicht wüssten oder noch nie gehört hätten. Ein fester Preis führt es ihnen aber unmissverständlich vor Augen. Dafür ist es höchste Zeit.

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