In diesen Tagen geht in Barcelona eine lokale, kleinere Ausgabe der SAP-Kundenkonferenz "Sapphire" über die Bühne. Unter dem Motto "Future Proof" stellte der Softwareanbieter 3 Aspekte in den Fokus: Agilität, Nachhaltigkeit und Resilienz der Lieferkette. Während es zu all diesen Themen bereits an der "grossen" Sapphire vor wenigen Tagen in Orlando eine Reihe von Neuerungen und Ankündigungen gab, betonte SAP-CEO Christian Klein an seiner Eröffnungs-Keynote in Barcelona einen Punkt: "Zurück zum Standard".
Der Kern des ERP-Systems gehöre nicht individualisiert, wurde der Firmenchef nicht müde zu wiederholen. Dies überrascht nicht, denn derzeit steht für die SAP-ERP-Kunden die Ablösung ihrer ECC-Systeme an. Viele dieser sind über die vergangenen Jahre beziehungsweise Jahrzehnte individualisiert worden.
Mit Zuckerbrot und Peitsche in die Cloud?
"Ja, jeder Kunde hat individuelle Bedürfnisse und Prozesse", sagte Julia White, SAP Chief Marketing and Solutions Officer, vor Journalistinnen und Journalisten. Und diese Bedürfnisse könne man auch bedienen, aber eben nicht über den Core, sondern über Integrationen via SAP Business Technology Plattform
Weiteres Ziel für die Kunden soll die Cloud sein, führte Klein aus. Aber auch bei der Cloud-Migration "müssen Kunden ihre Legacy-Systeme loswerden", sagte der oberste SAPler. Wer einen Lift-and-Shift-Ansatz wähle, werde anschliessend wieder ein Legacy-System betreiben. Unterstützung in diesem Prozess versucht der ERP-Anbieter seinen Kunden über das Programm "Rise with SAP" zu bieten. Ein wichtiges Ziel davon: der "saubere Kern", ein Standard.
Es scheine, SAP setze auf die Methode "Zuckerbrot und Peitsche", um die Kunden für
eine S/4Hana-Migration zu bewegen, so ein Analyst während des Q&A mit SAP-CEO Klein. Das Zuckerbrot: der Zugang zu neuen Funktionen und Innovationen wie AI, die Peitsche: der auslaufende Support für die Business Suite.
Auf die Analogie des Analysten will der CEO nicht ganz eingehen. "Wer es mit der digitalen Transformation ernst meint, muss in die Cloud", so die knappe Antwort von Klein. In Sachen Cloud habe SAP aber einen Tipping Point erreicht. Dies habe unter anderem mit der Partnerschaft mit Google zu tun, sei aber auch auf das Programm "Rise" zurückzuführen.
S/4Hana bei ABB
Im Rahmen der Sapphire bot Jürgen Reinhard von ABB einen Einblick in den "Rise"-Prozess. Als Global Head for ERP CoE Technology Lead ist er beim Technologie-Konzern unter anderem auch für die "Finance-Migration", sprich die Implementierung von S/4Hana, verantwortlich. Der Konzern habe weltweit rund 90 ERP-Systeme im Einsatz, teilweise 15 bis 20 Jahre alt, teilweise "eine andere Sprache sprechend", wie der ERP-Verantwortliche in einem Presse-Briefing erklärte. Nun würden die Stammdaten standardisiert, um eine zentrale Finance-Plattform in S/4Hana zu schaffen. Ziel sei es, umfassende Real-Time-Einblicke zu ermöglichen. "Ein wichtiges Element in der Transformation", wie Reinhard sagte. Schlussendlich soll es so für ABB-Business-Entscheider möglich werden, auf den Einblicken basierende Entscheidungen zu fällen.
ABB setzt dabei auf eine On-Premises-Version, war im Gespräch weiter zu erfahren. Wann und ob es in eine Public Cloud gehe, sei schliesslich ein Business-Entscheid, so Reinhard. Er aber könne sich einen hybriden Ansatz gut vorstellen.
Angesprochen auf den von Christian Klein gewünschten "Clean Core" erklärte der ABB-Manager, dass man das auch jetzt schon so handhabe. Es gebe wenig Anpassungen im Kern und das soll auch in Zukunft so bleiben. Mit einem Standard werde schliesslich auch die Wartung einfacher, fügte er an.
Interessenbindung: Die Autorin wurde vom Hersteller an die Sapphire nach Barcelona eingeladen (Flug, Unterkunft).