Die beiden Organisationen Algorithmwatch CH und die Digitale Gesellschaft haben einen offenen Brief an die SBB übergeben. Darin protestieren sie im Namen von 17'069 Personen und 16 zivilgesellschaftlichen Organisationen und politischen Parteien gegen die ursprünglichen Pläne der Bundesbahnen, ein Messsystem zur Überwachung der Reisenden an Bahnhöfen einzusetzen.
SBB krebst zurück
Im
Projekt der SBB geht es darum, Kameras für die Messung von Besucherströmen einzusetzen. Das Projekt sorgte für sehr viel mediale Aufmerksamkeit. Ab September 2023 wollten die SBB nicht nur die Bewegung der Reisenden verfolgen, sondern auch ihr Konsumverhalten analysieren, so der Plan. Dabei wollte man sie nach Alter, Geschlecht, Grösse und Gepäck kategorisieren – unter anderem auch für kommerzielle Zwecke.
Nach den ersten Medienberichten mussten die SBB jedoch klarstellen, dass beim neuen Messsystem für Kundenfrequenzen (KFMS 2.0) keine Gesichtserkennung zum Einsatz komme. Später
krebste der Bahnbetrieb etwas zurück. Von der Kategorisierung der Kundengruppen verabschiedet man sich nämlich. Die Konzernleitung will sich nun auf die Kernfunktion des Messsystems konzentrieren. Der Entscheid sei auch wegen der Besorgnis in der Öffentlichkeit und Politik gefällt worden. Das neue Messsystem soll erst ab Anfang 2025 eingesetzt werden.
Man werde den SBB genau auf die Finger schauen
"Die Bevölkerung hat den SBB ein unmissverständliches Signal gesendet: Unsere Grundrechte sind auch am Bahnhof zu achten – und sie sind nicht gegen die kommerziellen Interessen der SBB abzuwägen", sagt
Angela Müller, Leiterin von Algorithmwatch, zum offenen Brief.
Im Schreiben forderten die Organisationen, dass die SBB 1. Klarheit bezüglich der Ausschreibung schaffen, 2. keine Infrastruktur zur biometrischen Identifikation, Verfolgung oder Kategorisierung in Bahnhöfen installieren und 3. von jeglicher Datenerfassung und -bearbeitung im öffentlich zugänglichen Raum absehen, die nicht mit unseren Grundrechten konform ist.
"Wenn Menschen am Bahnhof anhand biometrischer Auswertungen jederzeit verfolgt, überwacht oder kategorisiert werden können, kann das diskriminierende Auswirkungen haben und sie davon abschrecken, zentrale Grundrechte wahrzunehmen – auch, wenn keine Identifikation erfolgt", heisst es weiter.
Obwohl die Pläne angepasst wurden, haben sich die Organisationen entschieden, den offenen Brief den SBB formell zu übergeben. So wolle man den Druck der Zivilgesellschaft aufrechterhalten. "Ob die Gefahr einer biometrischen Massenüberwachung gebannt ist, zeigt sich erst mit dem Entscheid, welches Kundenfrequenzmesssystem schlussendlich beschafft und eingesetzt wird", sagt Erik Schönenberger von der Digitalen Gesellschaft.
Man werde den SBB weiter "ganz genau auf die Finger schauen", meint Angela Müller, im Interesse der gesamten Gesellschaft. Denn: "Bahnhöfe können die meisten von uns schlicht nicht meiden."