Vom Butzenbüel auf die Bahamas: Bürokonzepte im Tech-Hub "The Circle"

29. April 2022 um 09:46
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Foto: Flughafen Zürich AG ©

Manager von Microsoft, SAP und Isolutions schildern ihre hybriden Arbeitsplätze am Zürcher Flughafen. Ein Augenschein vor Ort und Gespräche zeigen: Der Barista ist wichtig.

Man sollte schwindelfrei sein, wenn man im Meeting-Raum "New York" des IT-Dienstleisters Isolutions an die bodentiefe Fensterfront tritt. Im 9. Stock im "The Circle" steht man über dem Grund: keine Hauswand, die das Auge beruhigt, das Gebäude des japanischen Stararchitekt Riken Yamamoto verjüngt sich nach unten. Hebt man den Blick sieht man am Airport Zürich Flugzeuge abheben. Im Vordergrund wirbt ein Plakat in Übergrösse in Himmelblau für eine Feriendestination am Meer. Die Korallenriffe der Bahamas erreicht man von Kloten mit Zwischenstopp in unter 20 Stunden.
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Ausblick aus dem Raum "New York" von Isolutions im "The Circle". Foto: Kimberly Kläy ©
"Die Mitarbeitenden kommen gerne in die inspirierende Umgebung", sagt Sinisa Roksandic, der bei Isolutions das Verkaufsteam leitet. Der Chief Sales Officer des Microsoft-Partners lobt die Atmosphäre, das Angebot und nicht zuletzt die Anbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Seine Firma entschied sich bereits 2018 in den Gebäudekomplex zu ziehen und ein flexibles Arbeitskonzept umzusetzen. Das war noch vor der Pandemie, vor dem grossen Run auf Homeoffice, Schutzmasken und frische Luft. Unser Besuch im Circle und bei Microsoft, Isolutions und SAP Mitte April zeigt: Noch lässt die bundesrätlich verordnete Normalität auf sich warten, die Mitarbeitenden in den Büros und die Passanten in den Ladenpassagen werden aber zahlreicher.

Flanieren ohne Kompass und Landkarte

Ob der Umzug der IT-Firmen fristgerecht klappen würde, wann die Mitarbeitenden in den Genuss der neuen Umgebung mit allen Angeboten kommen sollten, war erst unklar – nicht nur wegen der Pandemie. Lange harzte es mit dem Milliarden-Bau des Versicherers Swiss Life und des Flughafens Zürich. Erst mit drei Jahren Verspätung wurde "The Circle" für das Publikum eröffnet, mitten in der Coronawelle im Herbst 2020. Vorerst blieb das Grossprojekt untervermietet, noch heute sind rund 30% der Fläche unbelegt.
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Für erfahrene Wanderer keine Option: Die Seilbahn auf den Butzenbüel. Foto: Kimberly Kläy ©
Die Dimensionen des Projekts sind beachtlich: Auf sechs in einem Halbkreis angeordneten Gebäudekomplexen finden sich 180'000 Quadratmeter Nutzfläche. Dem Flughafen abgewandt, halb eingesäumt vom Circle blickt man auf 80'000 Quadratmeter Park, der für 15 Millionen Franken hergerichtet wurden, inklusive einer Standseilbahn, die 23 Höhenmeter auf den Butzenbüel überwindet.
In der grossen Eingangshalle ist etwas Leben eingekehrt. Mieter und Passanten sitzen zum Lunch, Touristen flanieren durch die Ladenpassagen. Trotz Berichten zur komplexen Architektur findet man auch ohne Kompass durch die Gassen zu den vielen Büros. Neben Restaurants, Feinkostläden, Kiosken, Hotels, einem Convention Center und einem Ableger des Unispitals Zürich haben hier auch die IT-Firmen Abraxas, Inventx, Oracle, NTT Data, Totemo sowie Microsoft, Isolutions und SAP eine neue Heimat gefunden. Bei den drei Letztgenannten haben wir uns die Bürokonzepte angesehen und mit leitenden Managern über die neue Location gesprochen.
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Der Hauptplatz im "Circle". Foto: Kimberly Kläy ©

Microsoft: Mitarbeiter sorgten sich um Barista und Parkplätze

Im obersten Stockwerk des 10 Etagen zählenden "Haus 11" hat Microsoft den öffentlichen Teil seiner neuen Büros untergebracht: In der Cafeteria herrscht emsiges Treiben, der Barmann lässt Café um Café aus der Maschine. Kaum jemand trägt Maske. "Die Hauptsorge der Mitarbeitenden war, ob der Barista mitzügelt und wir hier beim Flughafen genügend Parkplätze bekommen", erklärt Roger Altorfer im Gespräch in einem etwas gar warmen, sonnigen Eckbüro mit Blick auf den Butzenbüel. Der Director Customer Success Unit sagt: "Nach der akuten Phase der Pandemie ist die Euphorie in der Belegschaft gross, im Büro wieder auf Kolleginnen und Kollegen zu treffen."
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Roger Altorfer, Director Customer Success Unit bei Microsoft, im Gespräch. Foto: Kimberly Kläy ©
Bei Microsoft gibt es kaum Vorschriften für das hybride Arbeiten von zu Hause und im Büro. Im Zentrum stehen die Kollaboration und das Experimentieren in den Teams, die entscheiden, wie sie im Circle zusammenarbeiten wollen. "Wir haben nur noch 30% individuelle Arbeitsplätze", sagt Altorfer, der Rest der Büros besteht aus Begegnungsstätten, Coworking-Spaces, Treffpunkten und Cafeteria. Geht man durch den 10. Stock fühlt man sich an ein gehobenes Möbelhaus erinnert. In mehreren Zonen wurden unterschiedliche Konzepte umgesetzt. Für die Arbeitsplätze gilt: "First come, first serve", auch für das Management, sagt Altorfer und fügt auf Nachfrage lachend an: "Ich habe bislang noch nicht in die Cafeteria ausweichen müssen."
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Noch konnte man im MTC bloss den Schriftzug fotografieren. Foto: Kimberly Kläy ©
Die Flexibilität ist bei Microsoft nicht neu, schliesslich bietet der Konzern die Tools an, die man dafür nutzen kann. Das Konzept hat sich in der Pandemie aber nochmals akzentuiert, wie Altorfer sagt. So hat Microsoft seine Mietfläche gegenüber dem alten Standort in Wallisellen um rund 500 Quadratmeter reduziert, obwohl demnächst auf 800 Quadratmetern ein Microsoft Technologie Center (MTC) entsteht, wo Kunden Innovationsprojekte vorgeführt werden können.
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Platz für ein Rendez-vous mit Blick auf den Flughafen bei Microsoft. Foto: Kimberly Kläy ©
Insgesamt kommt Microsoft im Circle auf eine Bürofläche von 4500 Quadratmeter. Die Belegung nehme mittlerweile zu, sagt Altorfer: Direkt nach dem Lockdown seien bis zu 60 Beschäftigte nach Kloten gekommen, mittlerweile seien es bis zu 150. Microsoft zählt in der gesamten Schweiz rund 900 Mitarbeitende.

Isolutions: Beschäftigte reisen mit Zug und Tram an

Für Altorfer sprach auch der entstehende Techhub für "The Circle". Noch steht dieser angesichts der Pandemie und der verspäteten Eröffnung am Anfang, dennoch wurde bereits eine "Exchange Group" gegründet, zu der neben Microsoft auch deren Partner Isolutions zählt. Der IT-Dienstleister mit seinen rund 200 Beschäftigten in der Schweiz und Barcelona verfolgt ein sehr ähnliches Bürokonzept wie die Redmonder. "Microsoft hat sich von uns inspirieren lassen, wir waren nach dem Flughafen selbst der zweite Mieter im Circle", sagt Sinisa Roksandic, Chief Sales Officer von Isolutions, im Gespräch schmunzelnd. Die kurzen Wege zu Microsoft und dem bald zugänglichen Microsoft Technology Center galten für ihn als zusätzliches Argument für den Zuzug.
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Sinisa Roksandic, Chief Sales Officer von Isolutions. Foto: Kimberly Kläy ©
Man habe aber auch ein grösseres Büro benötigt, ergänzt Roksandic, Isolutions stellte 2021 rund 60 neue Mitarbeitende ein. Zudem habe man den Kunden etwas Modernes präsentieren wollen. Dieser Wunsch schlägt sich auch in der Namenswahl der Sitzungszimmer nieder, die nach Metropolen wie "New York" benannt wurden. Tatsächlich sieht der CSO den Flughafenanschluss als Vorteil: Die Kunden mit internationalem Schweizer Headquarter würden gerne Leute einfliegen lassen, sagt Roksandic, dessen Firma sich ansonsten ökologisch präsentiert. So wurde festgelegt, dass die Beschäftigten mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen sollen.
Auch bei Isolutions lebt man Flexibilität: Jeden Montag informiere der CEO über den Stand der Dinge, man könne der Präsentation live aber auch per Videostream folgen, sagt Roksandic und ergänzt: "Einzig für Team-Meetings sollte man sich entschuldigen, wenn man verhindert ist." Mittlerweile würden mehr und mehr Angestellte wieder ins Büro kommen. Der Sales-Chef rechnet im Endstadium mit einer fifty-fifty Mischung von Homeoffice und The Circle. Einen Barista gibt es hier nicht; der Café aus dem Vollautomaten in der Küche schmeckt aber gut. Eine Tischtennisplatte an prominenter Stelle werde gerne genutzt, sagt Roksandic und preist den Standort an: "Hier bleiben keine Wünsche offen".
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Cafeteria und Küchenbereich bei Isolutions, der Tischtennistisch hat es knapp nicht ins Bild geschafft. Foto: Kimberly Kläy ©

SAP: Maskenpflicht, Sensoren und Experience Room

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Gabriel Wiskemann, HR-Director bei SAP Schweiz. Foto: Kimberly Kläy ©
"Wenn unsere Mitarbeitenden das erste Mal ins neue Büro kommen, erleben sie einen Wow-Effekt", sagt Gabriel Wiskemann, der bei SAP Schweiz als HR-Director im Managing Board sitzt. Beim ERP-Riesen herrscht noch Maskenpflicht, wenn man durch die Circle-Büros geht. Einige Bereiche sind verwaist, andere halbwegs belebt, an der Spitze des Gebäudes sind die Arbeitsplätze indes fast ausgebucht. Hier laufen die bodentiefen Fensterfronten zusammen und geben den Blick frei auf die verschneiten Alpen in der Ferne auf der einen Seite, auf das Rollfeld auf der anderen. Auf dem Boden liegen tiefe Rasenteppiche, unzählige hohe Pflanzen sollen ein Gefühl vermitteln, als würde man im Garten an seinem Computer arbeiten.
SAP hat verschiedene Zonen und "Clubs" eingerichtet. Die Mitarbeitenden könnten ihren Arbeitsort frei wählen, sagt Wiskemann. Das grundlegende Konzept heisst bei SAP Pledge to Flex und soll die komplette Flexiblilisierung von Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsplatz umfassen. Die Pandemie habe das flexible Konzept nun auch dem letzten Zweifler schmackhaft gemacht, glaubt Wiskemann. Wie Microsoft hat SAP seine Bürofläche verkleinert: allerdings deutlich stärker von 8000 Quadratmeter am alten Standort Regensdorf auf rund 4300 Quadratmeter. SAP zählt schweizweit etwa 900 Mitarbeitende, davon sind im The Circle etwa 700 Mitarbeitende angehängt.
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Das "Gardenoffice" von SAP mit Blick auf die Rollfelder. Foto: SAP
Beim ERP-Riesen soll demnächst ein Sensoren-System installiert werden, mit dem die Beschäftigten von zu Hause aus sehen, wer im Büro ist und welche Plätze noch frei sind. Bereits produktiv ist ein "Immersive Experience Raum", von SAP schlicht "IX" genannt, in dem Kunden auf einer 360-Grad-Leinwand Transformationsprojekte anschauen können. CTO René Fitterer präsentiert das Prunkstück von SAP – von zu Hause aus. Der Cheftechnologe hat kurz vor dem vereinbarten Gespräch Kontakt mit einem Corona-Infizierten geahbt und muss trotz Maskenpflicht zu Hause bleiben.
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René Fitterer, CTO von SAP Schweiz, präsentiert den IX-Raum des ERP-Riesen. Foto: Kimberly Kläy ©
Auch wenn SAP wie Microsoft die moderne Lokalität für ähnliche Präsentationsräume und Konzepte nutzt, das Ende der Pandemie scheint beim US-Konzern näher als beim Software-Haus aus dem deutschen Walldorf. Für ein abschliessendes Fazit zu den Workplace-Konzepten und zum Tech-Hub beim Zürcher Flughafen ist es auch darum noch zu früh. Vielleicht lässt sich das nach den Sommerferien nachholen. Auf dem Weg auf die Bahamas kann man kurz im The Circle beim Butzenbüel nach dem Stand der Dinge sehen.

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