Wo IBM an seiner Zukunft forscht

4. Juli 2022 um 14:38
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Der Forschungskomplex in Rüschlikon. Foto: IBM

In der Zürcher Gemeinde Rüschlikon arbeiten über 3000 Forschende an verschiedenen Technologien und Innovationen. Wir haben uns das Think Lab von IBM angeschaut.

Vom Zentrum Rüschlikon geht es den Berg hoch in Richtung Albiskette. Vorbei an Einfamilienhäusern, Villen und einer Hotelanlage mit Seeblick. Zwischen einem Pferdegestüt und der Autobahn 3 am westlichen Zürichsee-Ufer befindet sich das Research-Labor von IBM. Von aussen könnte man meinen, der Komplex sei ein Gefängnis. Das sichtbare Gebäude ist von einem hohen Zaun geschützt und wird mit zahlreichen Videokameras überwacht. Fast alle Rollläden sind heruntergelassen und es patrouillieren Sicherheitskräfte rund ums Haus.
Drinnen sieht es einiges freundlicher aus: Zwischen den einzelnen Gebäuden wurde ein heller Innenhof mit Garten angelegt, über den die verschiedenen Teile miteinander verbunden sind. Anders als die sehr modern geprägte Inneneinrichtung der grossen Internet-Konzerne kommt der Komplex von IBM ein bisschen daher wie aus dem vergangenen Jahrtausend. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass der erste Forschungsstandort des Unternehmens ausserhalb der USA bereits 1956 eröffnet wurde.
Wir durften das Research-Labor von IBM im Rahmen eines Journalisten-Anlasses besichtigen. In einer ersten Keynote präsentierte IBM die technischen Errungenschaften und die Nobelpreise, die das Forschungslabor hervorgebracht haben: 1986 für die Erfindung des Rastertunnelmikroskops und ein Jahr später für die Entdeckung eines Hochtemperatursupraleiters. Während in den ersten 30 Jahren in der Schweiz lediglich an Hardware und Physik geforscht wurde, befasst man sich am Standort Rüschlikon heute mit zahlreichen Gebieten wie Cloud- und Quanten-Computing, AI, Physik, Mathematik oder auch Life Science.

Zahlreiche Forschungsbereiche

Wirklich sichtbar wurden die zahlreichen Forschungsfelder dann bei der Besichtigung der einzelnen Labore. Gezeigt wurde neben dem hiesigen Quanten-Computer auch ein Mikroskop, mit dem sich die einzelnen Atome von Molekülen betrachten lassen, oder ein Projekt, bei dem versucht wird, Computerchips mit optischen statt mit elektrischen Leitern zu entwickeln, um diese noch schneller zu machen. Viele der Projekte am Standort seien Grundlagenforschung, erklärte Leo Gross, Wissenschaftler im Team, das sich mit Atomic Force Microscopy beschäftigt und dafür Geräte wie das nobelpreisgekrönte Rastertunnelmikroskop benützt. Sein Team forscht derzeit an der Entstehung von Feinstaubpartikeln.
Eine praxistaugliche Anwendung wurde im RoboRXN Lab entwickelt. Dort hat Teo Laino zusammen mit seinem Team einen KI-automatisierten Roboter geschaffen, der chemische Stoffe eigenständig auf deren Bestandteile analysieren und reproduzieren kann. Erklärt wurde das ganze Prozedere anhand eines Kochrezepts: Der Computer kann sowohl von einem fertigen Gericht ablesen, mit welchen Zutaten und Methoden es hergestellt wurde, als auch – bei Vorhandensein sämtlicher Zutaten – das Gericht selbstständig produzieren. Die Entdeckung und Produktion von chemischen Materialien soll so um die Hälfte der Zeit verkürzt werden, erklärten die Forschenden.
In weiteren Keynotes wurde eine ergänzte Roadmap für die Quantencomputer und die KI-Fraud-Detection in der neusten Generation der Mainframes vorgestellt. Darin wurde aufgezeigt, wie Machine Learning bei der Aufdeckung von Finanzbetrug helfen soll. Zudem wurde ein Blockchain-Projekt in Zusammenarbeit mit der französischen Nationalbank präsentiert. Elli Androulaki und Kaoutar El Khiyaoui haben aufgezeigt, wie die Arbeit in dem Experiment aussieht.

Über IBM hinaus gewachsen

Zum Abschluss der Besichtigung kamen auch noch die beiden IBM-Spinnoffs Lumiphase und Heidelberg Instruments Nano zu Wort. Beide Unternehmen hatten ihren Ursprung in den Forschungslaboren von Big Blue und sind nun als eigenständige Unternehmen tätig. Lumiphase stellt Lichtleiter-Chips für Rechenzentren her und Heidelberg Instruments Nano ist spezialisiert auf die Produktfabrikation im Mikro- und Nanobereich.
Technologien wie diese werden in Rüschlikon entwickelt und verfeinert. So auch im hauseigenen Nanotech-Center, dessen Reinraum in Zusammenarbeit mit der ETH betrieben wird. Generell wird man bei IBM nicht müde zu betonen, wie wichtig die Standortfaktoren in der Region Zürich für die Innovation am Forschungslabor seien. Und wer weiss, vielleicht gelingt in Rüschlikon schon bald der nächste wissenschaftliche Durchbruch, der zu einem Nobelpreis führt.

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