Der Zürcher Kantonsrat hat an seiner Sitzung vom 4. März eine Motion "Grundrechte und Privatsphäre im öffentlichen Raum schützen" abgelehnt. Der Entscheid fiel mit 86 zu 81 Stimmen bei 3 Enthaltungen knapp aus. Die Motion war im September 2022 von Wilma Willi (Grüne) und drei weiteren Ratsmitgliedern eingereicht worden.
Sie forderten: "Der Regierungsrat wird beauftragt, die nötige gesetzliche Grundlage zu erstellen, um den Einsatz von biometrischen Fern-Erkennungssystemen zum Zweck der Identifizierung durch kantonale Organe im öffentlich zugänglichen Raum, wenn er eine Massenüberwachung ermöglicht, grundsätzlich zu verbieten."
Gesetz ist in der Totalrevision
Die Regierung hatte in ihrer Stellungnahme argumentiert, dass im Kanton Zürich die Bearbeitung biometrischer Daten schon heute streng geregelt sei. Weiter würde ein allgemeines Verbot auch der in der Datenschutzgesetzgebung angestrebten Technologieneutralität widersprechen. "Innovationen sollen grundsätzlich ermöglicht werden, wobei damit verbundene Risiken beschränkt werden sollen", schrieb der Regierungsrat.
Ausserdem verwies er auf die derzeit laufende Totalrevision des kantonalen Gesetzes über die Information und den Datenschutz (IDG). "In verschiedenen Vernehmlassungseingaben wurde auf die Problematik der Bearbeitung biometrischer Daten hingewiesen. Bei der Auswertung der Vernehmlassungen und der nachfolgenden Bearbeitung der Vorlage im Hinblick auf die Antragstellung an den Kantonsrat werden diese Fragen deshalb nochmals eingehend geprüft werden."
Mögliche Behördeninitiative aus Winterthur
Im April 2023 beschloss
auch das Stadtparlament von Winterthur die Einreichung einer kantonalen Behördeninitiative zum Thema. Diese fordert ein "Verbot biometrischer Gesichtserkennung" im Kanton Zürich und wurde mit 47 von 60 möglichen Unterschriften eingereicht. Das Verbot gelte für Private absolut, nur Behörden dürften – auf richterlichen Beschluss – entsprechende Technologien einsetzen. "Bei bewilligten Demonstrationen, Kundgebungen oder Sportveranstaltungen darf biometrische Gesichtserkennung nie zum Einsatz kommen", so die Forderung.
Die zuständige Sachkommission beantragte jedoch eine Fristverlängerung mit Verweis auf die IDG-Revision. Die "Problematik von Gesichtserkennungssystemen" werde Gegenstand der Beratungen im Kantonsrat sein. Das Winterthurer Parlament folgte im vergangenen Dezember einstimmig dem Antrag: Die Frist für die Berichterstattung zur Behördeninitiative werde bis zum Abschluss der kantonsrätlichen Beratungen zum Geschäft "Totalrevision des Gesetzes über die Information und den Datenschutz" erstreckt.
Spätestens mit diesen Beratungen dürften die Diskussionen um mögliche Verbote oder Einschränkungen des Einsatzes von biometrischen Erkennungssystemen erneut beginnen.
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