Bericht: Der NDB betreibt "Massen­über­wachung" in der Schweiz

9. Januar 2024 um 14:05
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Illustration: Erstellt durch inside-it.ch mit Midjourney

Recherchen zeigen, dass der Nachrichtendienst des Bundes mit der Kabelaufklärung auch die Schweizer Bevölkerung überwacht.

Im September 2016 hat die Schweizer Stimmbevölkerung das revidierte Nachrichtendienstgesetz angenommen. Eines der umstrittensten Elemente der Revision war die Kabelaufklärung. Dabei werden Internetkabel der Schweizer Telcos durch den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) und das Zentrum elektronische Operationen (ZEO) des Verteidigungsdepartements (VBS) überwacht.
Die Kommunikation wird nach bestimmten Suchbegriffen durchsucht und mitgelesen. Der NDB und der Bundesrat hatten im Vorfeld der Abstimmung versprochen, dass die Kabelaufklärung zielgerichtet und sparsam umgesetzt werde. Massenüberwachung sollte es keine geben. Untersucht werden sollten nur Verbindungen ins Ausland. Die Kommunikation im Inland sei von der Überwachung ausgenommen, versicherten die Verantwortlichen damals.
Nach Recherchen der 'Republik' stellt sich diese Behauptung nun als faktisch falsch heraus. "Unsere digitale Kommunikation wird massenhaft gescannt, gelesen und ausgewertet", schreibt das Magazin unter Berufung auf Korrespondenzen zwischen dem Nachrichtendienst und dem Bundesverwaltungsgericht. In diesen Dokumenten räumt das VBS ein, dass die inländische Kommunikation überwacht und sogar gespeichert wird.

In der Vergangenheit rumschnüffeln

Damit könnte der Geheimdienst mit "Retrosuchen" auch Dateien aus der Vergangenheit durchsuchen. "Es liegt in der Natur eines Kabelaufklärungsauftrags, dass sich bestimmte erfasste Signale und Daten erst im Nachhinein als auftragsrelevant herausstellen", schreibt der NDB in der Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht.
Gestützt auf die Verordnung über den Nachrichtendienst dürfen die vom ZEO erfassten Kommunikationsdaten während 18 Monaten aufbewahrt werden, danach müssen sie gelöscht werden. Metadaten über die erfassten Verbindungsdaten dürfen vom Geheimdienst für 5 Jahre gespeichert werden.
Die Digitale Gesellschaft fordert deshalb Transparenz vom Geheimdienst. Sie ist ursprünglich ans Bundesverwaltungsgericht (BVGer) gelangt, welches derzeit prüfen muss, ob die Funk- und Kabelaufklärung die Grundrechte der Betroffenen verletzt.

Überwachung wird ausgebaut

Die Vorstellung, dass der NDB wie die amerikanische National Security Agency (NSA) einfach Chatverläufe, E-Mails und Suchanfragen anschauen könnte, ist erschreckend. Auch für bestimmte Berufsgruppen ergeben sich dadurch ernsthafte Konsequenzen. Medienschaffende können den Quellenschutz nicht mehr vollständig gewährleisten, bei Ärzten und Anwältinnen wird die Umsetzung des Berufsgeheimnisses und der gesetzlichen Schweigepflicht verunmöglicht.
Wie die 'Republik' weiter schreibt, hat der Nachrichtendienst 2023 gar Schritte unternommen, um die Kabelaufklärung weiter auszubauen. Dafür gehen der NDB und das ZEO direkt auf Schweizer Unternehmen zu, die selbst gar keinen grenz­überschreitenden Datenverkehr anbieten, um Daten abzugreifen. Dieses Vorgehen steht in krassem Widerspruch zu den vormaligen Beteuerungen des Nachrichten­dienstes.

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