Im September 2016 hat die Schweizer Stimmbevölkerung das revidierte Nachrichtendienstgesetz angenommen. Eines der umstrittensten Elemente der Revision war die
Kabelaufklärung. Dabei werden Internetkabel der Schweizer Telcos durch den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) und das Zentrum elektronische Operationen (ZEO) des Verteidigungsdepartements (VBS) überwacht.
Die Kommunikation wird nach bestimmten Suchbegriffen durchsucht und mitgelesen. Der NDB und der Bundesrat hatten im Vorfeld der Abstimmung versprochen, dass die Kabelaufklärung zielgerichtet und sparsam umgesetzt werde. Massenüberwachung sollte es keine geben. Untersucht werden sollten nur Verbindungen ins Ausland. Die Kommunikation im Inland sei von der Überwachung ausgenommen, versicherten die Verantwortlichen damals.
Nach Recherchen der
'Republik' stellt sich diese Behauptung nun als faktisch falsch heraus. "Unsere digitale Kommunikation wird massenhaft gescannt, gelesen und ausgewertet", schreibt das Magazin unter Berufung auf Korrespondenzen zwischen dem Nachrichtendienst und dem Bundesverwaltungsgericht.
In diesen Dokumenten räumt das VBS ein, dass die inländische Kommunikation überwacht und sogar gespeichert wird.
In der Vergangenheit rumschnüffeln
Damit könnte der Geheimdienst mit "Retrosuchen" auch Dateien aus der Vergangenheit durchsuchen. "Es liegt in der Natur eines Kabelaufklärungsauftrags, dass sich bestimmte erfasste Signale und Daten erst im Nachhinein als auftragsrelevant herausstellen", schreibt der NDB in der Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht.
Gestützt auf die Verordnung über den Nachrichtendienst dürfen die vom ZEO erfassten Kommunikationsdaten während 18 Monaten aufbewahrt werden, danach müssen sie gelöscht werden. Metadaten über die erfassten Verbindungsdaten dürfen vom Geheimdienst für 5 Jahre gespeichert werden.
Überwachung wird ausgebaut
Die Vorstellung, dass der NDB wie die amerikanische National Security Agency (NSA) einfach Chatverläufe, E-Mails und Suchanfragen anschauen könnte, ist erschreckend. Auch für bestimmte Berufsgruppen ergeben sich dadurch ernsthafte Konsequenzen. Medienschaffende können den Quellenschutz nicht mehr vollständig gewährleisten, bei Ärzten und Anwältinnen wird die Umsetzung des Berufsgeheimnisses und der gesetzlichen Schweigepflicht verunmöglicht.
Wie die 'Republik' weiter schreibt, hat der Nachrichtendienst 2023 gar Schritte unternommen, um die Kabelaufklärung weiter auszubauen. Dafür gehen der NDB und das ZEO direkt auf Schweizer Unternehmen zu, die selbst gar keinen grenzüberschreitenden Datenverkehr anbieten, um Daten abzugreifen. Dieses Vorgehen steht in krassem Widerspruch zu den vormaligen Beteuerungen des Nachrichtendienstes.