Mit "Für eine 'Swiss Cloud' im Dienst der digitalen Souveränität der Schweiz" ist eine Medienmitteilung vom 7. September überschrieben. Dahinter verbirgt sich ein neuer Zusammenschluss, der sich "Swiss Cloud for Swiss Sovereignty" (SC4SS) nennt. Das Ziel: Die Public-Cloud-Strategie des Bundes zu hinterfragen und herauszufordern.
Am 24. Juni 2021
machte inside-channels.ch publik, dass der Bund 110 Millionen Franken für Public Cloud ausgeben will. Den Zuschlag erhielten 4 US-Unternehmen und ein chinesisches: Microsoft, Oracle, IBM, AWS und Alibaba. 8 Angebote waren eingegangen, mittlerweile hat mit Google ein unterlegener Anbieter Beschwerde eingereicht, womit sich die Beschaffung
bis auf Weiteres verzögert.Bereits zuvor hatten sich Schweizer Unternehmen im Bereich Cloud beklagt, dass sie in der Ausschreibung
"keine Chance" gehabt hätten. Marc Oehler, Chef des Westschweizer Anbieters Infomaniak, erklärte, "die Ausschreibung scheint nicht nur Schweizer Anbieter auszuschliessen, sondern vor allem dem Bund die Möglichkeit zu geben, seine Zusammenarbeit mit Microsoft zu validieren".
Infomaniak ist nun auch Mitglied von SC4SS, weiter gehören dazu Unternehmen wie Proton Technologies, Einzelpersonen wie der Datenschutzbeauftragte des Kantons Wallis, Sebastian Fanti, der IT-Professor der Universität Genf, Jean-Henry Moiron, und weitere.
"Neutrales Land, neutrale Cloud"
Einer der Mitbegründer ist Fathi Derder. Der ehemalige FDP-Nationalrat des Kantons Waadt hatte 2019 eine Motion eingereicht, in der er "eine Strategie für die digitale Souveränität der Schweiz" forderte. Nun will er darauf zurückkommen, wie er gegenüber
inside-it.ch erklärt: "Die Idee wurde von einem leitenden Angestellten einer humanitären Organisation mit Sitz in Genf vorgeschlagen: Es könne nützlich sein, wenn ein neutrales Land eine neutrale Cloud habe."
"Wir fordern den Bundesrat auf, den Zuschlag vom 24. Juni 2021 aufzuheben", erklärt Derder. Das neu gegründete Komitee SC4SS beantrage, "dass der Bundesrat das ganze Projekt aus einer radikal anderen Perspektive als einer klassischen Ausschreibung angeht, und zwar im Hinblick auf die Fragen der Souveränität und der nationalen Sicherheit, indem er die Schweizer Akteure des Sektors zusammenführt".
Es gehe nicht darum, an der Ausschreibung beteiligte Unternehmen anzugreifen, so Derder. Aber, der Bund solle mit der Schaffung eines Konsortiums für eine "Swiss Cloud" beginnen: "Mit der Projektleitung durch Schweizer Akteure, öffentlich oder privat, auf einer Schweizer Infrastruktur. Die Server können ihren Sitz im Ausland haben, aber das Projekt muss von Schweizer Unternehmen, Schweizer Forschungsinstituten, Schweizer politischen Behörden oder multinationalen Unternehmen, die in Forschungszentren in der Schweiz investieren, geleitet werden. Und das Projekt muss dem Schweizer Recht unterliegen."
Wie positionieren sich Schweizer Cloud-Anbieter?
Bei Unternehmen, die sich beteiligen könnten, verweist das Komitee SC4SS neben Infomaniak und Proton auch auf Elca und Swisscom, die über Cloud-Know-how verfügen würden.
Von der Medienstelle der Swisscom heisst es auf unsere Anfrage dazu: "Swisscom hat sich für diesen Auftrag nicht beworben, weil sich die Ausschreibung des Bundes explizit an Global Public Cloud Anbieter richtete. Swisscom positioniert sich als Managed Service Provider, was bei dieser Ausschreibung nicht der Fall war. Aus diesem Grund nehmen wir zu diesem Thema keine Stellung."
Etwas direkter positioniert sich Elca. Christophe Gerber, Experte für Cybersicherheit beim Unternehmen, erklärt gegenüber insidet-it.ch: "Wir sind der Meinung, dass die Schweizer Unternehmen noch nicht ausreichend in die Umsetzung solcher Dienste eingebunden sind. Die Lobbymacht der grossen ausländischen Konzerne führt dazu, dass das lokale industrielle Ökosystem zu wenig berücksichtigt wird."
Die publizierten Spezifikationen der Ausschreibung hätten es für jedes Schweizer Unternehmen schwierig gemacht, die Anforderungen zu erfüllen, besonders im Alleingang. "Ein wirksamer und respektvoller Umgang mit den Anforderungen der Souveränität wäre, wenn der Bund die Rahmenbedingungen für die Gründung eines Konsortiums von Schweizer Unternehmen schaffen würde, das alle Anforderungen erfüllen könnte", so Gerber.
Elca sei nicht Teil des Initiativkomitees, und daher habe man keinen "konkreten Plan", welche nächsten Schritte anstehen sollten. Doch, "wir werden weiterhin zur Verfügung stehen, wenn unser Fachwissen und Meinung gefragt ist".
Die Volksinitiative ist in Vorbereitung
Fathi Derder erklärt zu den nächsten Massnahmen, man wolle nun Parlamentarierinnen und Parlamentarier dazu bringen, dem Bundesrat Fragen zu stellen. Weiter wolle man eine Volksinitiative zur "digitalen Souveränität" lancieren.
"Sie ist in Vorbereitung." Das Ziel sei, den Begriff der digitalen Souveränität in die Verfassung aufzunehmen. "Der genaue Text wird derzeit von Juristen und Cloud-Experten ausgearbeitet", so Derder gegenüber inside-it.ch.