"Die Schweiz muss ihre KI-Hausaufgaben machen"

17. Mai 2023 um 10:34
image
Illustration: Midjourney

Im Nationalrat wurde eine neue Interpellation eingereicht, die vom Bundesrat Antworten zu KI-Rechtssicherheit und Gesetzgebung fordert. Gerhard Andrey erklärt den Vorstoss.

Nicht nur im Bundeshaus, auch auf Kantonsebene häufen sich parlamentarische Vorstösse zu Künstlicher Intelligenz. "Ich bin froh darum, dass aus den verschiedenen politischen Ecken Vorstösse kommen. Das zeigt, dass von links bis rechts die Dringlichkeit nach Klarheit im Umgang mit KI erkannt wird", erklärt Nationalrat Gerhard Andrey (Grüne/FR) gegenüber inside-it.ch. Entsprechend erhoffe er sich politische Mehrheiten, "um dereinst smarte Rahmenbedingungen verabschieden zu können".
"Das Thema fasziniert, aber macht eben auch Angst. Gerade die eindrücklichen Deepfakes, welche nun in der breiten Bevölkerung kursieren, zeigen, was heute mit wenig Aufwand möglich ist", so das Parldigi-Mitglied. Diese gesellschaftlichen Bedenken gelte es ernst zu nehmen, sonst drohe eine komplette Blockade. Er sei überzeugt, dass Länder, welche zügig leichtgewichtige und dennoch griffige Rechtssicherheit durch Regulierung entwickeln, einen Standortvorteil schaffen werden.

Die Schweiz hat hohe Machine-Learning-Dichte

image
Gerhard Andrey.
In diese Richtung zielt auch seine neue Interpellation mit dem Titel "Standortvorteil durch KI-Rechtssicherheit nach Vorbild der DLT-Vorlage?", die vom Bundesrat Antworten auf verschiedene Fragen fordert. Der Bundesrat möge es ja, Entwicklungen im Ausland "intensiv zu beobachten", erklärt Andrey. "In dieser Angelegenheit darf er sich aber nicht darauf beschränken. Die Schweiz muss ihre Hausaufgaben auch machen und sich überlegen, wie sie sich in dieser Gemengelage positionieren will." Die Schweiz könne diverse Trümpfe ausspielen: "Wir haben weltweit eine der höchsten Machine-Learning-Dichten an den Hochschulen, eine sehr lebendige Cybersecurity-Szene und eine grosse öffentliche Beschaffungspower."
Es dränge sich ein pragmatischer regulatorischer Umgang mit diesen potenten, sich rasch weiterentwickelnden digitalen Werkzeugen auf, schreibt er in der Interpellation. Mit der "Distributed Ledger (Blockchain) Vorlage" habe die Schweiz mit einem prinzipienbasierten Ansatz in einer ähnlichen, technologisch volatilen Ausgangslage Rechtssicherheit schaffen können.

KI-Funktionen in bekannte Regulierungen integrieren

"Die DLT/Blockchain Vorlage war sehr spannend aufgebaut", erläutert Andrey. "Es wurde nicht ein neues Blockchain-Gesetz ausgearbeitet, sondern bestehende Gesetze um die Eigenheiten digitaler Assets ergänzt. So wurde zum Beispiel das Obligationenrecht leicht angepasst, um mit tokenisierten Aktien kompatibel zu sein." Das habe eine positive Dynamik ausgelöst, für Startups wie für KMU und zum Vorteil für den Wirtschaftsstandort Schweiz. "Einen ähnlichen Ansatz stelle ich mir auch bei einer KI-Regulierung vor. Dass sich also KI-Funktionen in bereits bekannte, regulierte Prinzipien integrieren lassen."
Er fragt den Bundesrat: "Wie beurteilt der Bundesrat die Analogie zu der DLT-Vorlage und wo sieht er bezüglich dem Gesetzgebungsansatz Unterschiede zu KI?" Wenn er ehrlich sei, habe er selber die Antwort im Detail auch nicht, sagt uns Andrey. "Aber oft geht es in seriöser Politik ja gar nicht darum, auf alles alle Antworten zu haben, sondern darum, die richtigen Fragen zu stellen." Er sei jedoch überzeugt, dass der Bundesrat seinen Befund teilen werde, "dass wir einen prinzipienorientierten Ansatz wählen müssen".

Nicht Jahre "beobachtend abwarten"

Analog zur Blockchain-Vorlage sollen Ausprägungen, welche KI-Anwendungen einnehmen können, entlang von bekannten Prinzipien verortet und in bestehenden Gesetzen um tatsächliche neue Eigenheiten ergänzt werden. Idealerweise beurteile der Bundesrat die Frage ob er eine solche prinzipienbasierte Regulierungsvorlage auszuarbeiten will positiv. "Dann ist die Türe offen, einen klaren Auftrag aus dem Parlament zu erteilen."
Dass es neue Regeln geben werde sei letztendlich keine Frage, betont Andrey. "Die Frage ist bloss: Warten wir über Jahre beobachtend ab und überlassen das Thema zuerst globalen und kaum regulierten Playern und dann der Regulierung anderer — oder handeln wir nun und nutzen die Chancen, die ein klarer Schweizerischer Rechtsrahmen bieten wird?"

Loading

Mehr erfahren

Mehr zum Thema

image

Kanton Zürich regelt "Juris"-Nachfolge mit einem Freihänder

Nach dem Aus von "Juris X" und der Vertragsauflösung mit Lieferant Abraxas hat die Zürcher Justizdirektion eine neue Justizlösung für den Vollzug gefunden. Die Glaux Group erhält 32,7 Millionen Franken.

publiziert am 23.8.2024
image

Aargau schafft zahlreiche neue IT-Stellen

Mit dem Budget 2025 erhöht der Regierungsrat das IT-Personal kräftig, vor allem im Bereich Cybersicherheit. Auch die neue Fachstelle "Digitale Transformation" wird besetzt.

publiziert am 22.8.2024
image

Slack-KI bietet "Support" für Cyberkriminelle

Angreifer können dank Künstlicher Intelligenz über eine Sicherheitslücke an sensible Daten kommen, sogar aus Privatnachrichten.

publiziert am 22.8.2024
image

Zu starke Verschlüsselung: Nidwaldner Steueramt kann Belege nicht mehr öffnen

Bei der Datenverschlüsselung gab es einen technischen Fehler. Einige Steuerpflichtige müssen die Belege jetzt nochmals einreichen.

publiziert am 22.8.2024