"Künstliche Intelligenz in der Kunst: Chance oder Gefahr?", "ChatGPT, klaust du unsere Kunst?" oder "Künstler oder künstliche Intelligenz: Wer hat das Bild gemacht?" – dies sind nur einige Beispiele für viele ähnliche Titel, die in den letzten zwei Jahren Zeitschriften und Nachrichtenportale geflutet haben. Die Diskussion über die Annäherung von Technologie und Kunst reicht bis in die Anfänge der Computertechnik zurück, hat sich aber in den letzten Jahren durch die Durchbrüche im Bereich der generativen Künstlichen Intelligenz besonders intensiviert.
Speziell mit multimodalen generativen KI-Technologien wurde es möglich, Informationen zwischen verschiedenen Medienformaten wie Text, Bild, Ton oder Video sinnvoll zu transformieren. So sind Text-Bild-Modelle in jüngster Zeit ausgesprochen erfolgreich bei der Erstellung realistischer und ansprechender Bilder aus Textbeschreibungen – und das in nur wenigen Sekunden. Von der Erstellung von Illustrationen für Kinderbücher bis hin zur Stärkung von Fake News mit überzeugenden Bildern über Ereignisse, die nie stattgefunden haben – die Bandbreite der möglichen Anwendungen ist gross und vielfältig. Diese Modelle finden daher derzeit nicht nur in der KI-Community enorme Beachtung, sondern auch bei einem breiten Spektrum von Wissenschaftlerinnen, Künstlern und Anwenderinnen, die sich für diese Technologie interessieren.
Dabei stellen sich zahlreiche Fragen zu den langfristigen Auswirkungen dieser Technologien: Welchen Einfluss werden diese auf unsere Vorstellungskraft und Kreativität haben? Wie wird sich die Verbreitung von KI-generierten Inhalten auf unsere Wahrnehmung auswirken? Wie beeinflussen multimodale KI-Technologien die künstlerische und kulturelle Gestaltung sowie Wertschätzung?
Bei einer so neuen und sich schnell entwickelnden Technologie ist es unerlässlich, nicht nur ihre Beziehung zur Kunst und ihren Einfluss auf die Erstellung von Inhalten zu untersuchen, sondern auch die zugrunde liegenden Mechanismen ihrer Entwicklung und die Dynamik ihrer Nutzung zu verstehen.
Künstliche Intelligenz als Blackbox
Es ist bekannt, dass KI-Modelle aufgrund ihrer Komplexität oft als "Blackbox" bezeichnet werden. Die Herausforderung, das Innenleben von KI-Modellen zu verstehen, ist mit den jüngsten multimodalen generativen KI-Technologien noch grösser geworden. Da diese Modelle auf der Basis einer enormen Datenmenge aus dem Internet trainiert werden, stellen sich viele Fragen in Bezug auf das Verstehen, die Bewertung und die verantwortungsvolle Nutzung dieser Modelle.
Die Modelle neigen beispielsweise oft dazu, soziale Vorurteile sowie demografische und kulturelle Stereotypen, die in ihren Trainingsdaten enthalten sind, zu übernehmen. Darüber hinaus wirft die breite Verfügbarkeit und Demokratisierung dieser Technologien auch Fragen zur Verletzung der Privatsphäre oder des Urheberrechts auf. Daher wird es immer wichtiger, die technologischen Grundlagen und die verschiedenen kulturellen, ethischen und gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Modelle besser zu verstehen.
Interdisziplinäre Forschung zur Auswirkung von KI auf Kunst und Kultur
Die Mitglieder des Projektteams haben Ausbildungshintergründe in verschiedenen Bereichen. Dies spiegelt das vorrangige Ziel des Projekts wider: Interdisziplinarität fördern und unterschiedliche Sichtweisen auf das weltweit relevante Thema der KI-gestützten Inhaltsgenerierung berücksichtigen. Ausserdem sollen die weitreichenden Auswirkungen von KI auf die Zukunft von Kunst, Kultur und Gesellschaft besser verstanden werden.
Die Entwicklung einer sinnvollen Kontextualisierung und kritischen Betrachtung von KI-Technologien im Spannungsfeld von Kunst und Kultur erfordert zwangsläufig eine interdisziplinäre Erforschung. Während "Interdisziplinarität" oft als verlockendes Schlagwort verwendet wird, birgt die Realität einer wirklich interdisziplinären Forschung viele Herausforderungen. Insbesondere wenn das Ziel darin besteht, die Gräben zwischen sehr unterschiedlichen Disziplinen wie der Informatik und den Geisteswissenschaften zu überbrücken.
Neue DSI Community Digital Humanities
Die Tendenz zur Integration von Computermethoden und digitalen Werkzeugen in geisteswissenschaftliche Studien ist seit mehr als einem Jahrzehnt im Gange und hat zu zahlreichen Forschungs- und Bildungsinitiativen geführt, die unter dem Oberbegriff "Digital Humanities" zusammengefasst werden. Das oben erwähnte Projekt ist nur ein Beispiel für Forschungsinitiativen im Bereich der digitalen Geisteswissenschaften an der Universität Zürich – es existieren diverse weitere Aktivitäten, die einen ähnlichen Schwerpunkt haben.
Um bestehende und neue Forschungs- sowie Lehrinitiativen im Bereich der Digital Humanities zu bündeln und zu fördern, wurde zu Beginn dieses Jahres die
DSI Community Digital Humanities von Christine Grundig, Eva Cetinic und Phillip Ströbel gegründet. Inzwischen hat die neue DSI Community bereits über 60 Mitglieder. Ihr Hauptzweck ist es, durch regelmässige Treffen, Vorträge und Workshops eine Plattform für den Austausch und die Diskussion über die verschiedenen praktischen und methodischen Herausforderungen der Digital Humanities zu bieten. Unter anderem mit dem Ziel, Fragen zum Einfluss von künstlicher Intelligenz in Kunst und Kultur besser beantworten zu können.
Über die Autorin:
Eva Cetinić ist SNSF Ambizione Fellow und DSI Forschende an der Universität Zürich. In ihrer Arbeit erforscht sie die Überschneidung von Deep Learning und Explainable AI mit digitalen Künsten und Geisteswissenschaften – mit einem besonderen Fokus auf multimodales Deep Learning im Kontext von visueller Kunst und Kultur.