Nach den riesigen Problemen mit einem grossen Informatikprojekt bei der Kantonspolizei und der Staatsanwaltschaft soll der Kanton Bern künftig auf Eigenentwicklungen verzichten. Das fordert die grossrätliche Geschäftsprüfungskommission (GPK).
Sie hat das Informatikprojekt "Nevo/Rialto" für die Kantonspolizei und die Staatsanwaltschaft
rund ein Jahr lang überprüft. Das Projekt sei "massiv unterschätzt worden", heisst es nach dieser Überprüfung in einer Mitteilung der GPK.
Nevo/Rialto wurde schon 2016 unter der Federführung von Swisscom gestartet. Es wurde seinerzeit als innovatives Projekt, das es so in der Schweiz noch nicht gebe, angekündigt. Mit ihm sollen die Abläufe zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft durchgehend digitalisiert und vereinheitlicht werden. Nach der Einführung bei der Polizei sorgten aber Verzögerungen und
Mehrkosten und bis zuletzt weiterhin
unzufriedene Nutzer für Schlagzeilen.
Im Oktober 2022 beauftragte die GPK deshalb die Finanzkontrolle (FK) damit, ein Jahr nach Einführung von Nevo/Rialto bei der Kantonspolizei eine Sonderprüfung vorzunehmen. Gestützt auf die Erkenntnisse der FK gelangte die Kommission nun zu verschiedenen Feststellungen und Empfehlungen.
Ziele noch immer nicht erreicht
Die GPK stellt fest, dass die Projektziele von Nevo/Rialto bisher noch nicht vollständig erreicht wurden. Insbesondere die digitale "Brücke" zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei sei noch nicht fertig. Ein Projektabbruch kommt zum jetzigen Zeitpunkt für die GPK aber nicht mehr in Frage, wie sie schreibt.
Besonders wichtig ist der GPK laut ihrer Mitteilung aber, dass das System zuerst bei der Kantonspolizei verlässlich genug funktionieren muss, bevor es bei der Justiz eingeführt wird.
Schlechte Noten
Weiter soll die Regierung aus den Fehlern lernen und die Erkenntnisse in künftige Projekte einfliessen lassen. Die GPK ist der Ansicht, dass es grosse Risiken berge, ein Produkt ganz alleine entwickeln zu lassen, auch wenn ein Privatunternehmen einen Teil der Entwicklung übernimmt. Auf Eigenentwicklungen solle seitens des Kantons darum grundsätzlich verzichtet werden.
Als gefährlich erachtet die GPK auch die Haltung, ein System sei alternativlos. Dies führe zu einer grossen Abhängigkeit, womit erhebliche Risiken verbunden seien.
Bevor ein Projekt definitiv umgesetzt werde, müsse sichergestellt sein, dass es verlässlich funktioniere. Ein solcher Entscheid müsse auf klar definierten Kriterien basieren, politischer Druck dürfe dabei keine Rolle spielen.
Ein weiterer zentraler Faktor sind für die GPK die Nutzerinnen und Nutzer eines Systems: Diese müssten in genügendem Mass einbezogen werden und die Schulungen und Ausbildungen dürften nicht unterschätzt werden.
Schliesslich sei ein Informatikprojekt oftmals auch ein Organisationsprojekt, schreibt die GPK. Das Change-Management müsse im Rahmen einer Projektorganisation unbedingt entsprechend miteinbezogen werden.
Damit sich die erkannten Schwierigkeiten bei künftigen Projekten nicht wiederholen, könnte es aus Sicht der GPK sinnvoll sein, für die Konzeption und Durchführung von IT-Projekten, gesetzliche Vorgaben zu definieren.
Rechenschaft ablegen
Der Regierungsrat soll nun in einem Bericht zuhanden des Grossen Rats dokumentieren, welche Lehren er gezogen habe, lautet eine weitere Forderung der GPK. Auch müsse der Regierungsrat darlegen, was dafür gesprochen habe, an Nevo/Rialto festzuhalten.
Die Regierung möchte eigentlich nur zu einem Teil der Empfehlungen und nur gegenüber der GPK Rechenschaft ablegen. Die GPK hält dagegen und findet, dass der Regierungsrat mit einem Bericht an den Grossen Rat umfassend Transparenz schaffen solle.