Anfang Februar hat der Bundesrat die Themen der Beiratstreffen "Digitale Schweiz"
im laufenden Jahr festgelegt. Auf der Agenda werden Digitalisierung und digitale Souveränität stehen. Digitalisierung
ist ein Ziel, das in breiten Kreisen als wichtig erachtet wird. Damit hört die Einigkeit aber wohl auf. Bei der Frage, wie man diese anzugehen hat, scheiden sich die Geister. Viele machen sich Sorgen oder setzen ein Fragezeichen, ob wichtige Bedürfnisse im Zuge der Digitalisierung auf der Strecke bleiben.
Die Diskussion zur digitalen Souveränität ist Ausdruck eines solchen Fragezeichens. Bei dieser Diskussion geht es um echte Bedürfnisse. Es ist zu entscheiden, welche Bedürfnisse im Rahmen der Digitalisierung wie zu berücksichtigen sind. Im September 2021 hat sich die Politik in diese Diskussion eingeschaltet. Die Nationalrätin Isabelle Moret hat eine
parlamentarische Initiative lanciert, bei deren Titel der eher technoide Begriff Cybersicherheit im Zentrum stand. Der Titel der parlamentarischen Initiative mag unscheinbar sein. Und Datensouveränität kommt darin mit keinem Wort vor. Dennoch hat die Initiative der Debatte zur digitalen Souveränität einen starken Impuls verliehen.
Missverständnisse rund um die digitale Souveränität sind nicht selten
Die Debatte ist indes nicht neu. Zu nennen ist etwa die Interpellation "Digitale Souveränität der Schweizer Bundesverwaltung" von Jonas Fricker aus dem Jahr 2017. Damals lag der Fokus auf
Open Source Software.
Einmal Open Source und jetzt Cybersicherheit. Dies zeigt: Die digitale Souveränität ist ein sehr buntscheckiges Pferdchen und auch gar nicht so leicht zu bändigen. Will heissen: Die Gefahr, dass man sich bei diesem Thema missversteht, ist sehr gross.
Ihrem Namen treu bleibend, hat die Swiss Data Alliance das Thema aus der Perspektive der Datensouveränität untersucht. Im Rahmen ihrer Arbeiten hat sie festgestellt, dass digitale Souveränität meist als Synonym zur Datensouveränität verwendet wird. Und vor allem: Dass digitale Souveränität wirklich ein sehr vielschichtiger Begriff ist. Die Diskussion zeigt, dass mehr als zwei Dutzend verschiedene Teilgehalte darunter gehandelt werden. Von digitaler Selbstbestimmung, Schutz der eigenen Wirtschaft (Wirtschaftsförderung), Schaffung eigener Informatikinfrastrukturen des Bundes, Ermöglichung der Besteuerung im Inland, Schutz vor Strafverfolgung im Ausland (sofern diese nicht den eigenen Mindeststandards genügt) bis hin zum Ermöglichen eigener Kontroll- oder Überwachungstätigkeiten der Bevölkerung (so in China und Russland) kann man mehr oder weniger alles darunter packen.
Souveränität hat nicht nur mit dem Territorium zu tun
Was sich sagen lässt: In Bezug auf den Souveränitätsbegriff gibt es ein Vorverständnis. Historisch betrachtet ist der Begriff sicher schon seit gut 500 Jahren in Gebrauch (z.B. bereits bei Jean Bodin in seinen Schriften zum Absolutismus). Am Wiener Kongress im Jahr 1814 wurde der Begriff erneut bedeutend. Seit dem 19. Jahrhundert weist der Souveränitätsbegriff starke Bezüge zum Territorium bzw. Staatsgebiet auf.
Daten haben zwar über Informatikinfrastrukturen, auf denen sie gespeichert sind (Rechenzentren und Server) und über die sie übermittelt werden (Telekommunikationsnetze), durchaus einen Bezug zum Territorium, dieser ist aber nicht exklusiv:
- Daten sind unkörperlich. Klassische Konzepte wie "Eigentum" funktionieren nicht.
- Daten können vervielfältigt werden. Dass sie an einem bestimmten Ort gespeichert sind, bedeutet nicht, dass sie nicht auch andernorts gespeichert werden könnten.
- Daten haben einen Bedeutungsgehalt: Daten können, selbst wenn sie nur an einem Ort gespeichert sind, noch immer einen Bedeutungsgehalt haben, der anderswo eine grosse Relevanz für das reale Leben von Menschen haben kann (Beispiel: Eine Falschinformation, die womöglich eine Abstimmung in Grossbritannien beeinflusst, kann ausserhalb von Grossbritannien gespeichert sein).
Bevor man also unbesehen auf den alten, am Territorium festgemachten Begriff der Souveränität “aufspringt”, sollte man sich zumindest kurz der Frage widmen, ob digitale Souveränität nicht viel mehr ist als eine Diskussion über den Ort der Datenhaltung.
Die Swiss Data Alliance hat sich mit Blick auf die Vielfalt des Begriffs vorgenommen, im Rahmen einer Arbeitsgruppe Grundlagen zur Begriffsklärung zu erarbeiten. Sie wird dazu in den kommenden Wochen interessierte Kreise einladen, sich an einer solchen Arbeitsgruppe zu beteiligen. Damit die notwendige Begriffsklärung dem Diskurs in der Schweiz zugutekommt.