Parldigi direkt: Wir brauchen einen Digitalisierungsartikel in der Verfassung

22. Januar 2025 um 09:03
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Ständerat Benedikt Würth. Foto: zVg

Die digitale Transformation in der öffentlichen Verwaltung harzt. Ständerat Benedikt Würth plädiert für mehr Zusammenarbeit und mehr Verbindlichkeit.

Die Schweiz ist ein Hightech-Land, welches in vielen Innovations­rankings an der Spitze steht. Dazu passt nicht, dass wir bei der digitalen Transformation im öffentlichen Sektor uns regelmässig im hinteren Mittelfeld wieder finden.
Wo klemmt es? Sehr oft wird die mangelnde vertikale Zusammenarbeit – mithin der Föderalismus – zum Sündenbock gemacht. Wenn man bei dieser Kritik ansetzt, dann müsste auch die mangelhafte horizontale Zusammenarbeit – also die starke Departementalisierung als Ausfluss des Konkordanzprinzips – angesprochen werden. Beide Elemente können für das viel zitierte Silodenken, welches regelmässig zu Blockaden führt, ursächlich sein.

Haben wir die richtigen Spielregeln?

In diesem Zusammenhang sei an den Satz von Nobelpreisträger James Buchanan (1919 – 2013) erinnert: "Ein gutes Spiel wird durch gute Spielregeln bestimmt, viel weniger durch gute Spieler." Somit stellt sich die Frage: Haben wir gute Spielregeln, und zwar auf oberste Ebene – auf Verfassungsstufe?
Der Befund ist einfach. Wir haben gar keine Regeln. Behörden und Politik springen heute von Projekt zu Projekt und agieren "im Rahmen des Möglichen". Es wirkt dann oft auch zufällig, ob grundsätzliche institutionelle Fragen aufgeworfen werden oder eben nicht (siehe aktuell die Debatte um das Adressdienstgesetz).
Aus meiner Sicht ist es klar, dass wir die Reformdiskussion um einen Digitalisierungsartikel nun aktiv führen müssen (siehe dazu Motion 24.4045 "Die Verfassung braucht einen Digitalisierungsartikel"). Natürlich braucht das Zeit, aber wenn wir das Problem ständig vor uns herschieben, (ver-)brauchen wir noch mehr Zeit.

Silos können überwunden werden

In dieser Debatte müssen wir auch den Mut haben, neue institutionelle Ansätze zu evaluieren. Denn diese braucht es, um die Verknüpfung von vertikaler und horizontaler Zusammenarbeit im Bundesstaat zu bewerkstelligen. So könnten die angesprochenen Silos überwunden und Effizienzgewinne erzielt werden.
Ein erster Ansatz wurde mit dem Projekt "Digitale Verwaltung Schweiz" gelegt. Dieser kooperative Ansatz sollte weiterentwickelt werden und gleichzeitig ein Rahmen – eben eine Verfassungsgrundlage – gelegt werden, damit verbindliche technische, organisatorische und prozedurale Standards für digitale Behördenleistungen erlassen werden können.

Eine Frage des politischen Willens

Um gleichzeitig das föderale Prinzip zu beachten, soll bei Verbindlichkeiten für die Kantone die Zustimmung eines gemeinsamen Organs eingeholt werden. An diesem Punkt tut sich der Bundesrat offensichtlich noch schwer. Dabei sind gemeinsame Organe von Bund und Kantonen nicht etwas völlig Neues, sondern ein erprobtes Instrument, um horizontale und vertikale Zusammenarbeit zu verbinden und verbindlich zu gestalten.
Ich erinnere an die neue Bildungsverfassung, welche die Grundlage für die Schweizerische Hochschulkonferenz (SHK) ist; die SHK ist heute das oberste hochschulpolitische Organ der Schweiz. Sie setzt den Auftrag von Artikel 63a Bundesverfassung (Hochschulen) um, wonach Bund und Kantone gemeinsam für die Koordination und die Gewährleistung der Qualitätssicherung im Hochschulbereich sorgen.
Oder ich erwähne Art. 106 Abs. 7 der Bundesverfassung (Geldspielartikel). Dort heisst es: "Der Bund und die Kantone koordinieren sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Das Gesetz schafft zu diesem Zweck ein gemeinsames Organ, das hälftig aus Mitgliedern der Vollzugsorgane des Bundes und der Kantone zusammengesetzt ist."
Es ist also letztlich eine Frage des politischen Willens. Dabei sind primär Bundesrat und Kantone gefordert. Sie haben es in der Hand, das bereits bestehende Konzept der "Digitalen Verwaltung Schweiz" weiterzuentwickeln und dem Parlament beziehungsweise dem Volk einen praxistauglichen Vorschlag zu unterbreiten.

Über die Kolumne

Jeden Monat äussern sich Politikerinnen und Politiker sowie digital-politisch Engagierte aus allen Lagern zum Geschehen in Bern und in den Kantonen in der "Parldigi direkt"-Kolumne. Heute schreibt Ständerat Benedikt Würth (Die Mitte/SG).

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