Monatlich beantworten namhafte Schweizer IT-Persönlichkeiten 10 Fragen, die man ihnen selten oder gar nicht stellt.
1. Was war Ihr erster Computer und woran erinnern Sie sich speziell dabei?Jean-Claude Flury:
Mit dem Commodore 64 eines guten Freundes habe ich die ersten Erfahrungen gesammelt. Wir spielten nächtelang "Summer- & Winter Games" und mussten die Programme mit Audio-Kassetten in den Speicher des PCs laden. Der erste eigene Computer war ein Commodore 128, den ich schon bald auch zum Fernsehempfang in meinem Zimmer genutzt habe. Meine Eltern haben das erst ein Jahr später gemerkt.
2. Welchen Informatikberuf möchten Sie selbst nicht (mehr) ausüben und warum?
Als ich nach dem Jura-Studium definitiv in die Informatik gewechselt habe, war ich für kurze Zeit IT-Supporter in einem Spital. Es waren spannende Monate und ich bewundere alle, welche diesen harten Job an der Front ausüben. Ich hätte vermutlich die Geduld dazu heute nicht mehr. 😊
3. Wohingehend wird sich die Stelle eines CIO/Ihre Stelle in den nächsten Jahren verändern?
Die Veränderung hat schon vor vielen Jahren eingesetzt. CIOs müssen das Business und die Prozesse verstehen und sich als Partner für das Business sehen. Sich auf die Technik konzentrieren reicht schon lange nicht mehr. Dabei wird der Spagat schwieriger, weil der CIO auch dafür sorgen muss, dass Innovationen unterstützt werden aber der Betrieb gleichzeitig reibungslos läuft und immer günstiger wird.
4. Was raten Sie einem jungen Informatiker, der Karriere machen will?
Ganz zu Beginn der Karriere geht es darum, möglichst breit Erfahrung zu sammeln. Als Informatiker ist man zudem weniger an eine Branche gebunden. Eine Spezialisierung macht aber Sinn, wenn man eine Fachkarriere statt einer im Management anstrebt.
5. Was konnten Sie erst in der jetzigen Rolle über Technologie lernen und nicht vorher?
In meiner vorherigen Rolle spielten Vernetzung von Geräten, Cloud-Dienste oder Web-Technologie eine geringere Rolle. Es ist zudem unheimlich spannend, wenn auch in den Produkten, die der Kunde nutzt, IT drin ist und was das für die ganze Backend-Technologie bedeutet.
6. Hat die Informatik etwas abgeschafft, das Sie vermissen?
Wir haben kürzlich beim Ausmisten eines Lagers alte Palm V gefunden – das war ein ganz tolles Gerät. Spass beiseite, ich würde es nicht gegen mein iPhone eintauschen wollen. Es sind eher die kleinen Dinge, die nerven können: warum hat der neue Laptop plötzlich den Hauptschalter auf der Seite an der ungünstigsten Stelle, oder warum wurde diese Funktion oder jene Integration im neuen Software-Release entfernt? Grundsätzlich sind die Weiterentwicklungen in der Informatik aber eine tolle Sache.
7. Wird es im Laufe der Karriere einfacher oder schwerer, sich für Technologie-Versprechungen zu begeistern?
Die Begeisterung für neue Technologie ist definitiv immer da. Aber ich würde mich mal als realistischen Optimisten bezeichnen. Man lernt über Zeit besser einzuschätzen, ob bei Ankündigungen eines Anbieters wieder einmal die Marketing-Abteilung schneller war als die Entwicklung. Wenn man sich regelmässig den "Gartner-Hype-Cycle" anschaut, ist es doch erstaunlich, wie viele Technologien lange nicht aus dem Tal der Tränen kommen.
8. Was/Welche Technologie wird in den nächsten 5 Jahren Ihrer Meinung nach den grössten Einfluss auf Ihre Branche haben? Und warum?
Vernetzung und Sensoren. Egal ob ich die Frage jetzt auf die ICT- oder die Haushaltgeräte-Branche beziehe, da liegt enormes Potenzial. Zusammen mit einigen Hype Themen wie Big-/Smart-Data oder AI muss das jedem Datenschützer den Angstschweiss auf die Stirn treiben, was diese technischen Möglichkeiten bieten, wenn sie voll ausgeschöpft werden. Man stelle sich vor, wenn wirklich alle alltäglichen Dinge vom Rasenmäher bis zum Kochtopf verbunden und mit Sensorik ausgestattet sind.
9. Gibt es eine Technologie im Moment, die Sie für total überschätzt halten?
Ja, da gibt es einige, die nenne ich aber lieber nur abends bei einem Bier. Generell halte ich es mit dem berühmten Sprichwort, dass kurzfristige Entwicklungen überschätzt und langfristige unterschätzt werden.
Ich sage es jetzt doch: ich glaube fest daran, dass die drei Top Shots, die immer genannt werden, Artificial Intelligence, Blockchain und Quanten-Computing grosse Themen sind und die Welt, wie wir sie kennen, nachhaltig verändern werden. Nur wird das länger dauern als viele versprechen.
10. Was haben Sie persönlich aus der Corona-Krise gelernt?
Wenn wir müssen, können wir! Die erzwungene Umstellung auf Homeoffice hat die Art der Zusammenarbeit verändert und diesen Wandel sicher um Jahre verkürzt. Die Corona Krise hat aber auch aufgezeigt, wie verletzlich unsere Supply Chains sind. Und dabei geht es nicht nur um die aktuelle Pandemie. Auch politische Unruhen oder Naturkatastrophen können das System stören. Firmen tun also gut daran, ihre Widerstandsfähigkeit zu überprüfen.
Zur Person:Jean-Claude Flury ist seit 2019 Head of IT des Haushaltgeräteherstellers V-Zug und führt das Unternehmen durch die digitale Transformation. Er war zuvor über 13 Jahre bei der Siegfried Holding, zuletzt als Vice President and Global Head IT Business Applications und Deputy CIO.
Er wurde zudem Mitte Oktober neuer Schweizer Vorstand der einflussreichen Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe DSAG.
Die Fragen stellte Marcel Gamma