Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs) führt seit einiger Zeit am nationalen Kommunikationssystem Polycom, über das Behörden und Blaulichtorganisationen kommunizieren, Erneuerungsarbeiten durch. Es gehe um den "Werterhalt" des Systems.
Man habe im Mai 2020 zwar mit der Fertigstellung der Schnittstellenlösung (Gateway) für die Kommunikation zwischen der alten und neuen Technologie einen grundlegenden Zwischenschritt erreicht, so das Babs. Bei der Umsetzung wurden jedoch die hohen Sicherheitsanforderungen unterschätzt. Aus diesem Grund kommt es zu grossen zeitlichen Verzögerungen. Die Behörde hat Massnahmen ergriffen.
Bei den Erneuerungsarbeiten sollen neue Komponenten für den Funk in die kantonalen Datennetze von Polycom eingebettet werden. Diese Datennetze müssen gegen Cyber-Angriffe geschützt werden, wie das Babs in einer Mitteilung schreibt. Allerdings habe Atos Schweiz, die Firma, welche die Systeme zusammenführe, die Komplexität und Schwierigkeit der Sicherheits- und Qualitätsanforderungen unterschätzt.
Wöchentliches Reporting auf höchster Stufe
Aus diesem Grund bleibe jetzt kaum mehr Zeit, um die kantonalen Netzinfrastrukturen für die Umstellung vorzubereiten. Das Babs habe daher seit Jahresbeginn die Zusammenarbeit mit dem System-Integrator Atos Schweiz verstärkt und halte nun wöchentlichen Kontakt, um bei Bedarf sofort weitere Massnahmen ergreifen zu können. Die Kontakte finden auf Ebene Atos-CEO und Babs-Direktorin statt, was die Grösse der Probleme unterstreicht.
"Ebenfalls wöchentlich wird der Projektfortschritt zwischen der Projektleitung Babs und der Projektleitung Atos abgeglichen und gesteuert", heisst es. Laut Mitteilung will Atos zudem zusätzliche Spezialisten beiziehen.
Sollten die Netze nicht rechtzeitig bereit sein, würden das alte und das neue System parallel laufen müssen, schreibt das Babs. Das würde zu Mehrkosten führen. Wer diese tragen müsste, ist uns nicht bekannt.
Das Sprachfunknetz für Blaulicht-Organisationen Polycom kostet Milliarden, mindestens 3,5 Milliarden Franken bis 2030, wie
inside-it.ch 2017 recherchierte. "Polycom ist komplett in der Hand von Atos und der Rüstungsschmiede EADS", hiess es damals zudem zur proprietären Technologie. Obwohl seit 2011 mit Polycom-Technologien betraut, hat Atos die Anforderungen unterschätzt, insbesondere weil fundiertes und spezifisches Fachwissen in Sachen Security der Netzzonen fehlten, heisst es in der Babs-Mitteilung. "Dieses Wissen aufzubauen hat sich auf Seiten des Systemintegrators Atos Schweiz AG als komplexer und schwieriger als ursprünglich angenommen herausgestellt."
Aufgrund der proprietären Technologie hatte Atos die Polycom-Zuschläge jeweils in Freihändern erhalten.
Neue Beurteilung verzögert auch Datenverbundsystem
2019 wurde vom Parlament ein Verpflichtungskredit in der Höhe
von 150 Millionen Franken bis 2027 gesprochen. Der Verpflichtungskredit umfasst das Projektmanagement, Entwicklungsarbeiten, Hard- und Softwarebeschaffung, Lizenzen, Netzinfrastrukturen sowie Leistungen im Netzmanagement und in der Instandhaltung.
Die Verzögerung entstehe, weil das Projekt aufgrund der "grossen technischen Komplexität" zunächst einer Gesamtbeurteilung unterzogen wurde. Nun wird das Vorhaben gemäss Mitteilung in drei Projekte aufgeteilt: in das Projekt SDVN und in die Projekte "Datenzugangssystem" und "Lageverbundservices".
So könnten zunächst die dringenden und umsetzungsreifen Projektschritte vorgenommen werden, schreibt das Babs. Noch im März sollen die Projekte "sicheres Datenverbundnetz" und "Datenzugangssystem" in die Konzeptphase starten. Das Babs muss dazu sein Personal aufstocken.