Vogt am Freitag: Wann braucht es Ctrl+Alt+Del beim EPD?

15. September 2023 um 12:15
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Stammgemeinschaften sollen zusammengelegt werden, erhalten aber trotzdem Bundesmittel. Und eine entscheidet sich kurz vorher auch noch für einen Plattformwechsel. Eine Woche zum Kopfschütteln.

Die Ausgangslage ist klar und die meisten Akteure haben es mittlerweile eingesehen: Das elektronische Patientendossier (EPD) ist – Stand jetzt – gescheitert. Es liegt palliativ, um im Gesundheitsjargon zu bleiben. Offen sind meiner Meinung nach 3 Fragen:
  • Kann das EPD gerettet werden?
  • Was kostet das?
  • Und ist es uns das wert?
Bundesrat und Parlament beantworten die erste Frage nicht eindeutig, sondern mit einem "Ja, aber". Dafür brauche es eine "EPD-Pflicht für alle", was schönfärberisch Opt-out-Lösung genannt wird.
Wer an den Umgang des Bundes mit sensiblen Gesundheitsdaten denkt, Stichworte Meineimpfungen und Transplantationsregister, wird sich über diesen Entscheid genauso wenig freuen, wie über die angedachte Zentralisierung, welche in Artikel 14 des Gesetzesvorschlags vorgesehen ist.
Föderale Struktur ist nicht das Hauptproblem
Das widerspricht dem einstigen Versprechen, das heikle Register eben genau zur Prävention von grossen Datenabflüssen mit nun 8 Stammgemeinschaften dezentral aufzubauen. Der dezentrale Weg habe sich nicht bewährt, sagte die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) jüngst. Die 8 zertifizierten EPD-Anbieter – die sogenannten Stammgemeinschaften – sollen zu einer Betriebsinstitution zusammengefasst werden.
Natürlich ist die föderale, komplizierte Struktur einer der Gründe, weshalb das EPD bei der Bevölkerung keinen Anklang findet. Aber es ist bei weitem nicht der einzige und auch nicht der schwerwiegendste. Wenn nicht mal Spitäler, Pflegeheime, Ärztinnen und Ärzte von den Vorteilen überzeugt werden können, sondern es für sie einfach nur Mehraufwand bedeutet, dann ist die Lösung nicht gut genug. So einfach ist das.

Viele widersprüchliche Vorhaben

Und was passiert jetzt? Viele Akteure wollen sich profilieren, haben die "besten" Ideen parat und machen damit alles nur noch viel schlimmer. Folgendes soll passieren:
Gleichzeitig mit der Zentralisierung der Stammgemeinschaften sollen die einzelnen Stammgemeinschaften für die Eröffnung jedes EPDs 30 Franken erhalten, was insgesamt 60 Millionen Franken kostet. Das sind zwei Vorhaben, die sich gegenseitig widersprechen.
Zudem wechselt die Stammgemeinschaft Aargau die technische Plattform und verursacht damit erneut Kosten, die bei der bevorstehenden Zentralisierung der Stammgemeinschaften ohnehin anfallen würden. Falls diese kommt, zahlen die Aargauer also doppelt.

Schon viel Zeit und Geld verschwendet

Beim eigentlich sehr sinnvollen Projekt EPD – es ist wichtig, dass mehrere behandelnde Institutionen und Personen voneinander wissen – wurde in der Vergangenheit viel Geld und Zeit verschwendet.
Wenn jetzt die beteiligten Akteure mit voreiligen Massnahmen zum eigenen Vorteil versuchen, gewisse Pflöcke einzuschlagen, machen sie vieles nur noch schlimmer, als es ohnehin schon ist.

Wenn nichts hilft, hilft nur noch der Reset

Besser wäre es, das Ende der Vernehmlassung am 19. Oktober und den Parlamentsbeschluss zum Bundesgesetz für das elektronische Patientendossier (EPDG) abzuwarten. Dann ist klar, wohin die Reise geht und alle können in die gleiche Richtung agieren (oder es bleiben lassen).
Geschieht das nicht, kommt das EPD nie zum Fliegen. Und es bleibt nichts anderes übrig, als die berühmte Tastenkombination "Ctrl+Alt+Del" zu drücken – und von vorne anzufangen.

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