Zwischen 2006 und 2012 sind bei der Züricher Justizdirektion Datenträger nicht ordentlich entsorgt worden. Hochsensible Daten sind so im Rotlichtmilieu gelandet,
wie Ende letzten Jahres bekannt wurde. Nun berichtet der '
Tages-Anzeiger' (Paywall), dass auch Festplatten der Sicherheitsdirektion davon betroffen waren.
Der Betreiber eines Zürcher Milieulokals, Roland Gisler, hat demnach im Dezember Kisten und Koffer im provisorischen Parlamentsgebäude in Oerlikon deponiert. Diese enthielten Festplatten und Unterlagen in Papierform, von denen bisher noch niemand wusste.
Eine spätere Einvernahme von Gisler habe ergeben, dass auch die Sicherheitsdirektion von Mario Fehr von der Datenaffäre betroffen ist. Der Milieubeizer und sein Bruder hätten also auch Material der Kantonspolizei besessen, die zur Sicherheitsdirektion gehört, so der Bericht. Gislers Bruder André sagt dem 'Tages-Anzeiger' auf Anfrage, er habe die Datenträger von "der Staatsanwaltschaft zum Entsorgen" erhalten.
André Gisler war für ein Unternehmen tätig, das für die Zürcher Justizdirektion Computer und Drucker entsorgte. Der Zeitung liegt das Einvernahmeprotokoll einer weiteren Person vor, die André Gisler bei der Entsorgung geholfen haben soll. In diesem Protokoll würden sich Fotos einer Festplatte mit der Aufschrift "Sicherheitsdirektion" sowie Harddisks der Kapo finden. Ebenso abgebildet seien Plastiktüten mit dem Logo der Kantonspolizei.
Zudem sei das Adress- und Telefonverzeichnis der Kantonspolizei aus dem Jahr 2012 betroffen, so der Bericht. Dieses enthalte Festnetz- und Handynummern aller Abteilungen und Mitarbeitenden der grössten Schweizer Polizeiorganisation. "Dass Telefonnummern von Polizeimitarbeitenden in falsche Hände gerieten, ist ausgesprochen ärgerlich, die Kantonspolizei hat allerdings geeignete Massnahmen ergriffen", so Sicherheitsdirektions-Sprecher Daniel Winter gegenüber dem 'Tages-Anzeiger'.
Wechsel der Zuständigkeiten
Heute sind die Statthalterämter der Justizdirektion unterstellt, bis 2011 gehörten sie zur Sicherheitsdirektion. Beim Wechsel der Zuständigkeit seien die Zürcher Statthalterämter und ihre IT-Geräte in den Verantwortungsbereich der Justizdirektion gelangt, so der 'Tages-Anzeiger'. Diese habe die Rechner mit den Aufklebern "Sicherheitsdirektion" über Gislers Bruder entsorgen lassen.
Es sei üblich, so der Bericht, dass Polizeiorganisationen Beweismittel und Festplatten mit Akten und Ermittlungsergebnissen an die Staatsanwaltschaften übergeben, sobald diese ein Strafverfahren übernimmt. Gegenüber der Zeitung betont die Sicherheitsdirektion, nichts mit der falschen Entsorgung zu tun zu haben. "Alle Harddisks und alle Festplatten, die in der Obhut beziehungsweise Verantwortung der Kantonspolizei waren, wurden physisch vernichtet. Bei deren Entsorgung gab es keinerlei Zusammenarbeit mit der Justizdirektion", so Winter.
Vernichtete Akten erschweren Aufarbeitung
Wie vergangenes Jahr bekannt wurde, war Roland Gislers Bruder André für ein Unternehmen tätig, das für die Zürcher Justizdirektion Computer und Drucker entsorgte, auf denen sich offenbar nicht gelöschte oder wiederherstellbare Daten befanden. Sein Bruder habe die Daten jeweils gelöscht, weil dies die Justizdirektion teilweise nicht getan habe, behauptet Roland Gisler.
Allerdings landeten Datenträger im Drogen- und Rotlichtmilieu der Stadt Zürich.
Die Aufarbeitung des Falls gestaltete sich schwierig,
wie ein Untersuchungsbericht zeigte. Denn bei nicht dokumentierten und unsystematischen Aktenvernichtungen könnten auch Verträge und Rapporte von externen Dienstleistern entsorgt worden sein. Die Vorkommnisse sowie die Frage, welche internen verbindlichen Vorgaben es für die Entsorgung von IT-Mitteln gegeben hat, lassen sich somit nicht endgültig nachzeichnen.