Die Digitale Gesellschaft erhebt happige Vorwürfe wegen der
Beschaffung der Plattform Justitia.Swiss, mit der die Digitalisierung der Schweizer Justiz vorangetrieben werden soll. Nicht nur drohe ein weiteres IT-Debakel, teilt die gemeinnützige Organisation mit, auch werde der demokratische und rechtsstaatliche Prozess auf den Kopf gestellt. Denn noch gebe es keine gesetzliche Grundlage für die Plattform. Die Digitale Gesellschaft hat nun zusammen mit einem IT-Anbieter eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht.
Justitia.Swiss soll zentrales Element des seit 2019 unter dem Namen
Justitia 4.0 laufenden Umbaus der Schweizer Justizlandschaft werden. In deren Rahmen sollen bis 2026 die Papierakten durch E-Akten ersetzt werden. Der Umfang ist riesig, wie den Ausschreibungsunterlagen zu entnehmen ist: Voraussichtlich werden auf der Plattform 100 Millionen Transaktionen abgewickelt und maximal 15'000 Benutzer gleichzeitig eingeloggt und parallel aktiv sein. Bis zu 100 Organisationen sollen sich über die Plattform austauschen können.
Zuerst die Beschaffung, dann das Gesetz
Im Frühling fand ein Vernehmlassungsverfahren zu den gesetzlichen Grundlagen des Systems statt. Auf dessen Basis lässt der Bundesrat einen Entwurf ausarbeiten und wird diesen dem Parlament unterbreiten. Das Gesetze werde nach diesem Prozess frühestens 2025 in Kraft treten, so die Digitale Gesellschaft. Bereits in 2 Jahren würden aber 200'000 Akten im System gespeichert sein, dazu fehlten schlicht die gesetzlichen Bestimmungen.
Damit drehe man den Prozess um und beschaffe bereits mit detaillierten Anforderungen ein System, ohne das Gesetz zu kennen. Neben der fehlenden gesetzlichen Grundlage moniert die Digitale Gesellschaft, dass keine End-to-End-Verschlüsselung und keine freie Open-Source-Lizenz vorgesehen seien. Zudem fehle es an Mindestanforderungen an eine sichere und vertrauliche Kommunikation sowie an die Langzeitarchivierung und Veröffentlichung von Urteilen.
Muss sich das Gesetz der IT-Plattform anpassen?
Werde die Plattform in Betrieb genommen, gebe es zwei Alternativen, so die Digitale Gesellschaft: Entweder müssten die Spezifika vom Gesetzgeber übernommen werden, oder die Plattform müsste unter grossen Kostenfolgen grundlegend überarbeitet werden. "Im schlimmsten Fall droht ein weiteres Millionengrab bei einem IT-Projekt", warnen die Beschwerdeführenden.
Bereits im Februar hatten sie das Vorgehen der Beschaffungsstelle
detailliert kritisiert. Mit der nun eingereichten Beschwerde
(PDF) erhoffen sie sich eine aufschiebende Wirkung, die Sistierung des Verfahrens, bis die Grundlagen geklärt sind.