EU knöpft sich Big Tech vor

20. Februar 2024 um 10:59
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Foto: Natalia Blauth / Unsplash+

Im Rahmen des Digital Services Act will die Europäische Union Tiktok untersuchen. Bei Apple steht ebenfalls Ungemach vor der Tür.

Die Europäische Kommission hat ein Verfahren gegen die Social-Media-Plattform Tiktok eröffnet. Mit diesem soll geprüft werden, ob der Online-Riese genügend gegen die Verbreitung illegaler Inhalte vorgeht und beim Jugend­schutz sowie der Werbetransparenz gegen EU-Regeln verstösst, wie die Behörde in Brüssel mitteilte.
Bei den möglichen Verfehlungen geht es auch darum, dass Tiktok unter Umständen nicht genug unternimmt, damit die App kein Suchtverhalten fördert. Konkret hat die Kommission etwa Algorithmen im Verdacht, die Abhängigkeiten anregen oder einen sogenannten Rabbit-Hole-Effekt auslösen können.

Im Algorithmus gefangen

Dieser Effekt – der an den Kaninchenbau in der Geschichte von Alice im Wunderland angelehnt ist – beschreibt das Phänomen, sich in einem Thema zu verlieren und es nicht mehr zu schaffen, sich davon loszureissen. Algorithmen können solche Verhaltensmuster erkennen und ausnutzen, damit Nutzerinnen und Nutzer mehr Zeit auf einer Plattform verbringen.
Schutzmassnahmen für Minderjährige wie Altersüberprüfungen zum Jugendschutz seien auf Tiktok möglicherweise nicht wirksam, so die Kommission. Die Plattform ist nach eigenen Angaben für Menschen gedacht, die mindestens 13 Jahre alt sind. Auf der Website des Unternehmens heisst es: "Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, dass Teenager ihr richtiges Geburtsdatum angeben."

DSA regelt Transparenz

Die Kommission hatte zu Tiktok bereits eine Voruntersuchung durchgeführt, deren Ergebnisse zum nun eingeleiteten förmlichen Verfahren geführt haben. Vor fast zwei Monaten hatte Brüssel bereits ein ähnliches Verfahren gegen das Netzwerk X eröffnet. Dabei ging es unter anderem um Hinweise auf illegale und irreführende Beiträge zum Gaza-Krieg.
Grosse Online-Plattformen werden über den im Februar eingeführten Digital Services Act (DSA) dazu verpflichtet, strikt gegen illegale Inhalte und Hetze im Netz vorzugehen. Seit Inkrafttreten des Gesetzes hat die Brüsseler Behörde einigen Online-Plattformen einen Fragenkatalog geschickt, darunter auch Facebooks Mutterkonzern Meta oder Snapchat. Darin mussten die Unternehmen zum Beispiel Angaben machen, wie sie die psychische Gesundheit von Jugendlichen schützen.
Die Plattformen müssen ihren Nutzerinnen und Nutzern neu auch Informationen über Anzeigen zur Verfügung stellen – also beispielsweise, warum ihnen die Werbungen gezeigt werden und wer dafür bezahlt hat. Ausserdem sollen Kinder und Jugendliche besonders geschützt werden. So ist es verboten, Minderjährige gezielt mit Werbung anzusprechen, die auf persönlichen Daten beruht.

Hohe Strafe steht im Raum

Sollte die Kommission zum Schluss kommen, dass Tiktok gegen den DSA verstösst, könnte eine Geldstrafe von bis zu 6% des weltweiten Jahresumsatzes verhängt werden. Die Kommission kann ausserdem Zwangsgelder in Höhe von bis zu 5% des durchschnittlichen weltweiten Tagesumsatzes verhängen – für jeden Tag, den der Konzern etwa zugesagte Massnahmen nicht umsetzt.
Berichten zufolge hat Tiktok einen Jahresumsatz von mehreren Milliarden Euro. Das Unternehmen selbst veröffentlicht keine Zahlen. Bei dem nun eingeleiteten Verfahren gibt es keine Frist. Wie lange die Untersuchung dauert, ist offen. Nach Angaben der Europäischen Kommission hängt die Länge unter anderem davon ab, wie kompliziert ein Fall ist und wie kooperativ sich ein Unternehmen zeigt. Zudem ist offen, welches Ergebnis die Untersuchung haben wird.

Für Apple wird’s teuer

Neben Tiktok ist auch der Tech-Gigant Apple ins Visier der EU geraten. Dem Konzern droht eine empfindliche Busse von der Europäischen Union. Wie die 'Financial Times' unter Berufung auf anonyme Quellen berichtet, soll das Unternehmen wegen Verstössen gegen geltendes Wettbewerbsrecht – den Digital Markets Act – 500 Millionen Euro an die EU zahlen müssen.
Dem Tech-Giganten wird vorgeworfen, dass er seine dominante Marktposition mit dem App Store ausgenutzt haben soll. Die Regeln würden iPhone-Nutzerinnen und -Nutzer dazu zwingen, den Abrechnungsdienst des Stores zu nutzen. App-Entwickler würden daran gehindert, die Nutzenden über günstigere Angebote zu informieren. Dadurch komme es zu "unfairen Handelsbedingungen", findet die EU.

Nicht die erste Busse

Am Ursprung des EU-Verfahrens steht eine formelle Beschwerde von Spotify aus dem Jahr 2019. Dem Streaming-Anbieter widerstreben die Geschäftspraktiken von Apple. Ende Januar kritisierte Spotify-Chef Daniel Ek Apples Pläne zur Neuordnung des App-Stores scharf. Neu sollen Entwickler, deren Apps mehr als eine Million mal pro Jahr installiert werden, für jede weitere App-Installation 50 Cent an Apple zahlen müssen, wenn ihre App über den Apple-Store heruntergeladen wird. Das sei "Erpressung", erklärte Ek.
Die angekündigte Busse über 500 Millionen Euro wäre für Apple eine der höchsten in der Konzerngeschichte. Doch angesichts der Milliardengewinne dürfte der Betrag jedoch verkraftbar sein: Im Geschäftsjahr 2023 meldete Apple einen Gewinn von rund 97 Milliarden Dollar. Zudem hat der Konzern die Möglichkeit, den Befund anzufechten. Damit war Apple auch in der Vergangenheit schon erfolgreich. 2020 wurde Apple in Frankreich mit einer Geldstrafe von 1,1 Milliarden Euro gebüsst – ebenfalls wegen Verstössen gegen das Wettbewerbsrecht. Der Entscheid wurde jedoch angefochten und die Strafe wurde nach einer Berufung auf 372 Millionen Euro reduziert.
(Mit Material von Keystone-sda)

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