Vor etwas mehr als einem Monat veröffentlichte die Post die Ergebnisse einer Umfrage zu ihren Bemühungen im Bereich Digitalisierung und zu ihren Unternehmensübernahmen, welche diese Bestrebungen vorantreiben sollen. Die Post versuchte zwar, die überwiegend positiven Antworten auf Fragen wie "Soll die Post Unternehmen und Behörden bei der Digitalisierung unterstützen" als Wasser auf ihre Mühlen zu interpretieren. Die Antworten auf die Frage, ob zu diesem Zweck die Übernahme von Privatunternehmen angebracht ist,
waren aber gespalten, es gab offensichtlich ebenso viele Gegner wie Befürworter unter den Befragten.
Nun hat die Post die Ergebnisse eines von ihr selbst in Auftrag gegebenen rechtlichen
Gutachtens zu den kritisierten Zukäufe veröffentlicht. Der Freiburger Rechtsprofessor Andreas Stöckli kommt darin zum Schluss, dass diese rechtens waren. Der Artikel im Postorganisationsgesetz, der dies regle, müsse "weit verstanden werden".
Stöckli ist ordentlicher Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Freiburg und Mitglied der Direktion des Instituts für Föderalismus. Seit 2020 ist er auch Präsident des Departements für Öffentliches Recht der Juristischen Fakultät der Uni.
Nebentätigkeiten dürfen Grundversorgung mitfinanzieren
"Das Postorganisationsgesetz (POG) sieht nun im Artikel 3 vor, dass die Post nicht nur Grundversorgungsaufgaben, sondern auch damit zusammenhängende Dienste wahrnehmen darf", sagt Stöckli in einem
von der Post veröffentlichten Gespräch. "In diesem Zusammenhang spricht man von sogenannten Annex- oder Nebentätigkeiten. Die Einnahmen aus diesen Nebentätigkeiten dürfen auch dafür verwendet werden, Grundversorgungsaufgaben zu finanzieren. Dies ist vom Gesetzgeber so gewollt, damit die Post die Grundversorgung eigenwirtschaftlich erbringen kann."
Genauer unter die Lupe genommen habe er Tätigkeiten auf dem digitalen Werbemarkt, insbesondere die Übernahmen der Livesystems Group sowie von Bring! Labs und Tätigkeiten im Bereich des vertraulichen Transports von digitalen Informationen. Dabei ging es um die Übernahmen von Klara, Tresorit sowie Dialog Verwaltungs-Data. Sein Fazit: "Ja, die Tätigkeiten in den Bereichen der digitalen Werbung und der digitalen Informationsübermittlung sind grundsätzlich vereinbar mit dem Zweckartikel."
Der Zweckartikel erlaube es der Post in einem gewissen Rahmen auf veränderte Kundenbedürfnisse und Marktentwicklungen wie die Digitalisierung zu reagieren. Die Nebentätigkeiten seien offen umschrieben, macht Stöckli geltend.
"Weite und dynamische Auslegung"
Der Gesetzgeber geht seiner Ansicht nach von einer weiten und dynamischen Auslegung des Zweckartikels aus. Damit wolle das Parlament sicherstellen, dass die Post ihre Eigenwirtschaftlichkeit im sich wandelnden und herausfordernden Markt behaupten kann.
Ebenfalls zu beachten ist gemäss dem Wissenschaftler, dass der Bundesrat die strategischen Ziele der Post festlegt, was ebenfalls im Postorganisationsgesetz steht. Die Strategie verlange, dass die Post sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert und zeitgemässe Angebote entwickelt. Dazu gehöre auch der Informations- und Datenverkehr.
Die Post glaubt nun, dass dieses Gutachten ihr "gesetzlich grünes Licht" gebe, um auch weiterhin "flexibel auf künftige Entwicklungen zu reagieren". Dies wird ihr niemand verwehren wollen, aber sind dazu auch Übernahmen rechtens und notwendig? Diese Frage dürfte kaum wegen eines einzelnen Kurzgutachtens einfach vom Tisch sein.