Blicken wir kurz zurück: Anfang 2020 setzt Swisscom beim Glasfaserausbau auf die Point-zu-Multipoint-Bauweise (P2MP), hat also nur noch eine statt vier Fasern verlegt. Das Argument des Telcos: "Ein Point-to-Point-Anschluss (P2P) ist mit deutlichen Mehrkosten verbunden."
Kurz darauf eröffnete die Wettbewerbskommission (Weko) im Dezember 2020 ein Verfahren und verfügte gleichzeitig vorsorgliche Massnahmen, welche es Swisscom verboten, Wettbewerbern beim Ausbau des Glasfasernetzes den Zugang zu durchgehenden Leitungen zu verweigern. Involviert ist auch der Winterthurer Provider Init7, der zuvor bei der Weko Anzeige erhoben hatte.
Swisscom weiss seit über zwei Jahren, dass es mit P2MP schwierig ist
Spätestens seit Ende 2020, also seit über 2 Jahren, weiss Swisscom, dass die Point-zu-Multipoint-Bauweise bei der Wettbewerbskommission einen schweren Stand hat. Dennoch entschloss man sich in der Konzernspitze, weiterhin nur eine Faser zu verlegen und den gerichtlichen Weg zu beschreiten. Eben weil der Bau nach diesem Standard wesentlich günstiger sei, argumentierte Swisscom, aber ohne auf Nachfrage konkrete Zahlen zu nennen.
Dennoch hat Telco jetzt den Salat. Sämtliche gerichtlichen Instanzen haben in den vergangenen zwei Jahren (mehrfach) gegen den Platzhirsch entschieden und zugunsten der Wettbewerbskommission und Init7 geurteilt. Swisscom muss also 500'000 + X Point-zu-Multipoint-Anschlüsse auf eigene Kosten auf Point-zu-Point-Anschlüssen umbauen, sonst darf der Konzern diese nicht vermarkten.
Auch zu den Kosten des sogenannten "FeederCleanup"-Projekts, so nennt der Konzern den Umbau von P2MP zu P2P, äussert sich Swisscom nicht. Zu weiteren Fragen zu entstandenen und weiterhin entstehenden Kosten heisst es ebenfalls: "Wir machen dazu keine detaillierten Angaben." Deshalb müssen wir folgende Milchbüechlirechnung aufstellen:
Es geht um rund eine halbe Milliarde Franken
Sehr vorsichtig gerechnet zahlt Swisscom also für geschätzt 600'000 Anschlüsse doppelt: Erstens für den P2MP-Bau, zweitens für den Umbau zu P2P. Fredy Künzler, CEO von Init7 und Gegenpartei im Glasfaserstreit, schätzt, dass der Umbau aller Anschlüsse gegen 250 Millionen Franken kostet.
Hinzu kommen die fehlenden Umsätze derselben Anzahl Anschlüsse, die während ein bis drei Jahren nicht verkauft werden dürfen. Bei einer angenommenen Verkaufsrate von 30% der Anschlüsse, einer durchschnittlichen Ausfallzeit von 2 Jahren und einem Preis von 49,90 Franken pro Monat fehlen Swisscom somit 240 Millionen Franken Umsatz. Einnahmen aus herkömmlichen Abos auf dem Kupfernetz kann man hier aber gegenrechnen.
Noch nicht einkalkuliert sind weiter die Kosten für Rechtsstreitigkeiten in unbekannter Höhe. Bekannt ist die Zahl
von 157 Millionen Franken, die Swisscom im abgelaufenen Geschäftsjahr dafür zur Seite gelegt hat, die aber nicht nur in Juristereien im Glasfaserstreit flossen.
Ein teurer Management-Fehler
Grob zusammengerechnet geht es also um rund eine halbe Milliarde Franken, die sich aus doppelten Kosten, entgangenen Einnahmen und Kosten für Rechtsstreitereien zusammensetzen. Das ist viel Geld, der den Gewinn des Konzerns drückt. Und es ist Geld, das Swisscom jetzt in der Kasse hätte, hätte der Konzern von Anfang an P2P gebaut.
Es ist davon auszugehen, dass die Mehrkosten dafür deutlich unter der halben Milliarde liegen. Laut Künzler kostet ein P2P-Anschluss in urbanen Gebieten etwa 60 Franken mehr als ein P2MP-Anschluss. Bei 600'000 Anschlüssen betrügen Mehrkosten damit 36 Millionen Franken. Selbst wenns doppelt so teuer ist, hat Swisscom immer noch über 400 Millionen in den Sand gesetzt.
Es wäre wünschenswert, dass Swisscom in dieser Sache endlich Transparenz schaffen würde – solange das nicht passiert, muss man das lange Festhalten an P2MP als Management-Fehler taxieren.