Der Nationalrat hat ein Postulat "Schutz der Rechte im digitalen Bereich" seiner Staatspolitischen Kommission (SPK-N) angenommen. Der Entscheid fiel mit 99 gegen 93 Stimmen knapp aus. Der Bundesrat hatte eine Ablehnung beantragt.
Das Postulat fordert einen Bericht von der Regierung, "wo beim Schutz der Individualrechte im digitalen Bereich Lücken bestehen und wie dieser Schutz verbessert werden kann, insbesondere mit Blick auf die Menschenwürde, die Unversehrtheit und die Wahrung der Privatsphäre". Weiter soll geprüft werden, welche Massnahmen auf Ebene der Gesetzgebung oder der Rechtsanwendung nötig sind, um diese Lücken zu schliessen. Die Prüfung soll auch die allfällige Aufnahme eines Rechts auf digitale Integrität in die Bundesverfassung sowie die Analyse der rechtlichen Folgen dieser Massnahme umfassen.
Der Vorstoss geht auf Diskussionen in der SPK-N zurück, die zur parlamentarischen Initiative "Das Recht auf digitale Unversehrtheit in die Verfassung aufnehmen" geführt wurden. Dieser wurde im Dezember 2023
im Parlament keine Folge gegeben, die Kommission hielt aber damals fest, sich damit zu befassen, "ob es angebracht ist, die Situation zu überprüfen und Schritte in diese Richtung zu unternehmen".
Bundesrat Beat Jans verwies in der Debatte auf die abgelehnte parlamentarische Initiative: "Die Argumente für und gegen dieses Recht (auf digitale Unversehrtheit) wurden von den Expertinnen und Experten, die während der Vorberatung dieser parlamentarischen Initiative in Ihrer Kommission angehört wurden, bereits ausführlich dargelegt. Einen zusätzlichen Bericht zu diesem Thema braucht es deshalb nicht. Er würde keine neuen Erkenntnisse bringen." Auch stärke das neue Datenschutzgesetz bereits die Individualrechte im digitalen Bereich. Zudem werde die Frage nach der Notwendigkeit weiterer gesetzgeberischer Massnahmen im Rahmen der laufenden Arbeiten zur Künstlichen Intelligenz geprüft.
"Resultate lassen lange auf sich warten"
Nationalrat Gerhard Pfister (Mitte, ZG) sagte im Namen der Kommissionsmehrheit: "Die Stellungnahme des Bundesrates zum Postulat entbehrt überraschenderweise nicht einer gewissen Originalität, indem dem Bundesrat eine für ihn seltene, bemerkenswerte Weitsicht zeigt. Denn er weiss schon, bevor er die Frage geprüft hat, dass es keinen Handlungsbedarf gibt. Ich meine, wenn er nicht nachschaut, dann findet er auch nichts."
Dass eine Aufnahme des Rechts auf digitale Unversehrtheit in die Verfassung keinen Mehrwert bringen würde, sei auch die Auffassung einer Mehrheit der SPK-N. "Diese möchte dann aber doch vom Bundesrat wissen, ob er das auch so sieht, und möchte, dass er die Frage mindestens einmal prüft", so Pfister. Der Verweis des Bundesrates auf laufende Arbeiten wie die Bestandesaufnahme zur KI-Regulierung genüge nicht. "Denn diese Arbeiten werden zwar angekündigt, aber kaum an die Hand genommen, und die Resultate lassen deshalb auch lange auf sich warten", kritisierte Pfister.
Digitale Welt wird in der Verfassung ignoriert
Nationalrat Jean Tschopp (SP/VD) sprach sich hingegen für einen neuen Artikel in der Bundesverfassung aus. Die digitale Welt werde dort völlig ignoriert. "Lediglich der Schutz der Privatsphäre wird in Artikel 13 erwähnt. Während der Schutz vor missbräuchlicher Datenverarbeitung mit seiner Weiterentwicklung bereits im Bundesgesetz über den Datenschutz enthalten ist, werden die anderen Bereiche des Rechts auf digitale Integrität ignoriert", sagte Tschopp.
Die Beschäftigung mit deren Schutz, wie dem Recht auf digitale Sicherheit, dem Recht auf Vergessen im Internet oder dem Recht auf ein Offline-Leben sei keine Koketterie, "sondern eine unumgängliche Dimension unseres Lebens". Eine Anpassung der Verfassung könne ein Einstieg in dieses Thema sein, "indem wir die wichtigsten Herausforderungen der Digitalisierung identifizieren und wie wir darauf reagieren wollen", so der Nationalrat.