Neue Polizei-Software: "Basel beobachtet Vorgänge in Bern genau"

28. Juli 2022 um 14:15
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Foto: Kapo Basel-Stadt

Berner Polizisten beklagen sich über die neue Software Rialto. Auch in Basel-Stadt ist deren Einsatz geplant, man warte aber noch ab, erklärt uns das Justizdepartement.

Seit April ist in Bern ein neues Vorgangsbearbeitungssystem (Nevo) bei der Kantonspolizei im Einsatz. Die Software Rialto wurde von Deloitte und Swisscom entwickelt, beruht auf SAP ICM (Investigative Case Management) und ging in Bern mit 2 Jahren Verspätung und nach 3 Zusatzkrediten in Betrieb. Doch schon bald häuften sich die Klagen von Polizistinnen und Polizisten: Nur schon die Bearbeitung einfacher Vorgänge beanspruche sehr viel mehr Zeit als früher, hiess es in den letzten Wochen. Das System sei nicht nur langsam, sondern auch fehleranfällig.
Zur Aufgabenteilung erklärte uns Swisscom: "Deloitte verantwortet als Sublieferantin die Entwicklung des Kernsystems. Wir haben zusammen mit der Kapo Bern ein System entwickelt, das von der App bei der Polizistin bis ins Backend durchgängig digital funktioniert." Für Swisscom ist Rialto ein "Generationenprojekt", in Bern werde dafür "Pionierarbeit" geleistet.
In Basel-Stadt plant ein weiteres Polizeikorps den Einsatz von Rialto, wie das "Regionaljournal Basel" von 'SRF' berichtete. Toprak Yerguz, Leiter Kommunikation des Basler Justiz- und Sicherheitsdepartements, bestätigt dies auf unsere Anfrage. Die Ersatzbeschaffung der Fallführungssoftware sei Teil des Grossprojekts "Kapo2016". Das Basler Parlament hatte diesem im April 2016 zugestimmt.

Gegen die freihändige Vergabe wurde geklagt

Doch auch in Basel kam es zu Verzögerungen. "Die freihändige Vergabe der SAP-Lizenzen wurde Ende 2018 publiziert. Dagegen wurde Rekurs ergriffen. Dieser Rekurs wurde vom Gericht ein Jahr später (Ende 2019) abgewiesen", erklärt Yerguz. Im Nachhinein habe sich diese Verzögerung als "Glücksfall" erwiesen. "Basel-Stadt kann nun von den Erfahrungen in Bern profitieren."
Der Zeitpunkt der Einführung von Rialto in Basel wurde allerdings noch nicht festgelegt. "Derzeit steht das Justiz- und Sicherheitsdepartement in Verhandlungen mit der Anbieterin." Zu den bereits angefallenen und zukünftigen Ausgaben schreibt der Mediensprecher: "Die Kosten für die Lizenzen umfassen eine einmalige Erstzahlung von rund einer Million Franken und jährliche Wartungskosten von rund 200'000 Franken."

Aktuelles System in Basel ist "veraltet, aber stabil"

Für das Projekt "Kapo2016" sind rund 10 Millionen Franken vorgesehen, darin enthalten seien aber noch weitere "Massnahmen, um den administrativen Aufwand für die Kantonspolizei Basel-Stadt zu verringern", so Yerguz. Im Antrag zu "Kapo2016" hatte der Regierungsrat geschrieben: "Mit dem Projekt sollen die Prozesse der Kantonspolizei optimiert, die administrative Arbeit der Polizistinnen und Polizisten halbiert, die Datenerfassung und -auswertung einen Innovationsschub erfahren und damit die polizeiliche Präsenz auf der Strasse – ohne Nettoerhöhung der finanziellen Mittel – ausgebaut werden."
Basel beobachtet nun genau, was in Bern mit Rialto passiert. Man habe keinen Druck, die Software möglichst schnell einzuführen, im Moment setze die Polizei noch auf das bisherige System. "Derzeit nutzt die Kantonspolizei unter anderem MText. Der Kanton Basel-Stadt verfolgt eine SAP-Gesamtstrategie, weshalb das System auf die geplante Lösung umgestellt werden soll. Die derzeit genutzte Software ist zwar veraltet, läuft aber noch stabil", erklärt Yerguz.

"Berichte aus Bern stimmen uns nachdenklich"

Im Beitrag des 'SRF-Regionaljournals' forderte Thomas Grossenbacher, Mitglied des Grossen Rates der Stadt, das Justizdepartement müsse das Projekt auf Eis legen und "erst wieder anpacken, wenn die Berner Kollegen die Probleme tatsächlich in den Griff bekommen". Yerguz sagt im Namen des Departements gegenüber inside-it.ch: "Dass die Berichte aus Bern nachdenklich stimmen, geht auch uns so."
Bei einem Projekt dieser Grössenordnung seien Schwierigkeiten aber nie auszuschliessen. Und Basel-Stadt werde bei einer Einführung von den Erfahrungen und Investitionen in Bern profitieren. "Was aber auch klar ist: Wir werden nicht auf Biegen und Brechen eine Lösung einführen, die nicht das hält, was wir uns davon versprechen", betont der Mediensprecher.

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