Ja, ich weiss: Bill Gates hat bei Microsoft (offiziell) nichts mehr zu melden. Aber sein Name ist nach wie vor eng mit dem Unternehmen verknüpft. Deshalb muss er jetzt für die neueste Schnapsidee aus der Konzernküche den Kopf hinhalten.
Es geht um die Recall-Funktion, die
Microsoft Anfang Woche an seiner Build-Konferenz vorgestellt hat. Dabei handelt es sich um eine KI-gestützte Suche, mit der Userinnen und User "alles" wiederfinden sollen, was sie je auf ihrem PC je gesehen haben. Recall soll dabei nicht nur Texte, sondern auch Fotos durchsuchen können. Es reicht also die Beschreibung eines Bilds, an das man sich erinnert, und Recall liefert die zugehörige Website.
Gigantisches Überwachungsprogramm
Das klingt zwar praktisch, aber damit es funktioniert, macht Recall alle fünf Sekunden einen Screenshot des Bildschirms und speichert diesen lokal ab. Ganz egal, ob ich einen Text wie diesen schreibe (📸), die Steuererklärung ausfülle (📸), per E-Voting abstimme (📸), Rechnungen bezahle (📸) oder eine Harasse Bier bestelle (📸). Mindestens drei der fünf Screenshots enthalten durchaus Informationen, die auch andere interessieren könnten.
Natürlich erledigt man am PC auch weniger heikle Dinge (je nachdem aber auch heiklere), aber faktisch spielt das gar keine Rolle. Microsoft implementiert mit Recall ein gigantisches Überwachungsprogramm, das jeden Schritt, den Userinnen und User am Computer unternehmen, protokolliert. Bei PCs mit einer Festplattenkapazität von 512 GB sind standardmässig 75 GB dafür reserviert, wie
Microsoft selbst schreibt.
Der Konzern betont, dass die Screenshots nur lokal gespeichert und auch lokal analysiert würden. Darüber hinaus könnten Anwenderinnen und Anwender bestimmte Websites oder Apps vom "Recall" ausschliessen, die Funktion lasse sich auch temporär oder ganz ausschalten. Das ist aber auch das Mindeste, denn all diese Möglichkeiten implizieren das Hauptproblem: Recall ist standardmässig aktiviert.
Hilfsmittel für Kriminelle
Und was das bedeutet, wissen wir alle: Die Anzahl der Windows-11-Nutzerinnen und -Nutzer, die jemals von Recall erfahren, wird sich im unteren, einstelligen Prozentbereich bewegen. Und diejenigen, die sie bewusst ausschalten, im Promillebereich. Das könnte beim Weiterverkauf von PCs (oder
wenn in einer Beiz Festplatten rumliegen) zu "lustigen" Szenen führen. Ganz zu schweigen von Industriespionage, Erpressungsversuchen oder ähnlichen kriminell motivierten Machenschaften, die mit solchen Screenshots praktische "Hilfsmittel" erhalten.