Um dem todkranken elektronischen Patientendossier neues Leben einzuhauchen,
schlägt der Bundesrat unter anderem vor, für alle krankenversicherten Menschen in der Schweiz ein EPD zu eröffnen. Ebenso sollen Ärztinnen, Apotheker, Physiotherapeutinnen oder Chiropraktoren verpflichtet werden, sich dem EPD-System anschliessen.
All das steht im Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG), zu welchem vergangene Woche
die Vernehmlassung endete. Mehrheitlich stimmen die Stellungnahmen darin überein, dass es mit dem EPD vorwärtsgehen müsse. Einzig die SVP meldet Frontalopposition an.
Pflicht für alle plus Daten für die Forschung
Grösstenteils klar ist die Zustimmung zur automatischen und kostenlosen Erstellung eines Dossiers für alle obligatorisch Krankenversicherten. Gegen die Opt-out-Möglichkeit durch einen Widerspruch beim Kanton gibt es ausser bei der SVP keinen Widerstand. Ebenso sollen die Daten der Forschung in anonymisierter Form zur Verfügung stehen.
Kritik wird an den Stammgemeinschaften laut. Diese verwalten die Dossiers und betreiben die EPD-Systeme. Der Bundesrat will diese beibehalten und mittels einer Übergangsfinanzierung bis zum Inkrafttreten des revidierten Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier unterstützen.
"Dezentraler Weg hat sich nicht bewährt"
Das wird kritisiert: Die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) schreibt,
dass sich der dezentrale Weg nicht bewährt habe. Das EPD müsse zentral und einheitlich gesteuert und finanziert werden, fordert die Konferenz. Die derzeit acht EPD-Betreiber – fünf regionale und drei nationale – will die GDK fusionieren. Bleiben sie erhalten, brauchten sie klare Vorgaben, fordert die GDK.
Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) verlangt rasch konkrete Beweise für die Nützlichkeit des EPD. Die Vorlage enthalte
kaum Anreize für die freiwillige Verwendung, stattdessen aber unverhältnismässige Strafbestimmungen, bemängelt sie. Das Konzept für den Zugriff auf die Daten sei für die Bevölkerung zu kompliziert. Die Stammgemeinschaft, welcher sie sich anschliessen, sollen die Ärztinnen und Ärzte frei wählen dürfen. Zudem müssten sie für ihren Aufwand entschädigt werden.
SVP will Vorlage bachab schicken
Strikt gegen die Revision stellt sich die SVP. Die Vorlage zeige ein absolutistisches Staatsverständnis, das aus "moralistischen Gründen" in die persönliche Freiheit eingreife. Solange die Widerspruchslösung mit dem Eintrag in ein Widerspruchsregister in der Vorlage bleibt, werde die SVP jede Gesetzesänderung kategorisch ablehnen. Alle hätten ein Recht auf den Schutz ihrer persönlichen Daten. Aufgrund des Registers bei den Kantonen könnten Dossierverweigerer öffentlich an den Pranger gestellt werden.
Einfach zugänglich bei höchstem Sicherheitsstandard: Das muss das EPD für die SP sein. Dabei sollen die Daten für Patientinnen und Patienten verständlich sein. Deshalb wäre zu prüfen, ob Patientenorganisationen mittels Leistungsauftrag entsprechende Dienste anbieten könnten. Mehrere Stammgemeinschaften braucht es gemäss SP nicht. Das schüre nur den Wettbewerb und steigere die Kosten.
Neustart statt Bastelei: Revision ist nur "Denkanstoss"
Eine klare Kompetenzregelung zwischen Bund und Kantonen begrüsst die Mitte-Partei. Sie zweifelt aber, ob das mit der Revision gelingt. Die Kantone dürften sich für eine regionale Stammgemeinschaft entscheiden. So stelle sich die Frage, ob die nationalen Betreiber lebensfähig bleiben.
Die Grünen bedauern, dass die Vorlage einen wesentlichen Konstruktionsfehler des EPD nicht ausmerze: das System der einzelnen Stammgemeinschaften. Eine Zentralisierung dränge sich auf. Die Grünliberale Partei fordert ein nutzerorientiertes und datenbasiertes EPD, statt am "jetzigen Modell herumzubasteln". Die Revision sei höchstens ein Denkanstoss.