Die Wettbewerbskommission hat die vollständige Verfügung im Glasfaserstreit gegen Swisscom veröffentlicht. Obwohl die interessantesten Zahlen geschwärzt sind, finden sich darin spannende Aussagen.
Ende April hatte die Wettbewerbskommission (Weko) Swisscom im Glasfaserstreit zu einer Busse von 18 Millionen Franken verurteilt. Darüber hinaus erhielt der Telco Vorgaben zum weiteren Ausbau des Glasfasernetzes aufgebrummt. Zum Beispiel wird das Unternehmen zur Point-to-Point-Technologie (P2P) verpflichtet. Swisscom seinerseits legte wie erwartetfristgerecht Einspruch gegen die Verfügung ein. Schon heute ist somit klar, dass sich das Bundesverwaltungsgericht und später womöglich das Bundesgericht mit dem Fall befassen muss.
Vorausgegangen war die Geschäftsgeheimnisbereinigung mit Swisscom. Im publizierten, rund 200 Seiten starken Entscheid (PDF) sind also viele Zahlen, insbesondere zu Umsätzen, Kosten und Ausbaustrategien geschwärzt.
Eine Ausnahme bilden die Marktanteile der Schweizer Internetprovider: Swisscom mit knapp 50% und Sunrise mit fast 29% teilen sich über drei Viertel des Kuchens.
Quelle: Bakom
Ebenfalls interessant ist die Entwicklung der Internetanschlüsse. Während Kabelmodem und DSL-Anschlüsse seit 2018 nahezu konstant blieben, hat die Zahl der verkauften Glasfaseranschlüsse im gleichen Zeitraum um fast 60% zugenommen. Insgesamt hatte im Jahr 2022 ein knappes Drittel (28%) der Breitbandkundschaft einen Glasfaseranschluss. Swisscom hatte während des Verfahrens andere Zahlen zur Verfügung gestellt, die Weko nennt diese in ihrem Bericht "irreführend".
Quelle: Bakom
Ausführungen von Swisscom falsch
Laut der publizierten Verfügung hat Swisscom argumentiert, dass die P2P-Bauweise die Schweiz zu einer "Topologie-Insel" mache und das Land im Bereich des Glasfaserausbaus technologisch ins Abseits führe. Die Weko hält diese Aussagen für falsch, sie würden "jeglicher Grundlage entbehren". Auch die implizite Behauptung, die Schweiz würde sich mit einer P2P-Netzarchitektur vom europäischen Markt abschotten, sei wahrheitswidrig.
Darüber hinaus habe Swisscom die vorsorglichen Massnahmen der Wettbewerbskommission zum Glasfaserausbau, die seit Dezember 2020 gelten, mehr oder weniger ignoriert. Diese hätten "keinen ersichtlichen Einfluss auf die von Swisscom vorgenommenen Inbetriebnahmen von aktiven P2MP-Anschlüssen" gehabt, heisst es im Bericht. "Die Menge der durch Endkunden oder Wholesale-Kunden nachgefragten Point-to-Multipoint-Anschlüsse (P2MP) stieg konstant an. Erst das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Oktober 2021 habe zu einer leichten Abflachung der Kurve geführt.
Deshalb verpflichtet die Weko Swisscom nun, alle "widerrechtlich in Betrieb genommenen Glasfaseranschlüsse" umzurüsten. Eigentlich wäre dieser "kartellrechtswidrige Zustand" sofort zu beseitigen. Weil dies aber für Endkunden nicht zumutbar sei, erscheint dafür "eine Übergangsfrist von knapp zwei Jahren als angemessen". Abgesehen von begründbaren Ausnahmen im Einzelfall gilt diese Pflicht absolut. Obwohl Swisscom den Fall nun ans Bundesverwaltungsgericht weiterzieht, gibt es keine aufschiebende Wirkung. Diese wurde durch die Weko entzogen.
Marktbeherrschende Stellung
In einem Zwischenfazit schreibt die Wettbewerbskommission, dass Swisscom auf dem Markt für den Zugang zur physischen Netzinfrastruktur mit glasfaserbasierten Übertragungsgeschwindigkeiten eine marktbeherrschende Stellung innehat. Ergänzend dazu heisst es: "Das Kartellgesetz verbietet eine marktbeherrschende Stellung nicht, sondern einzig deren Missbrauch." Dennoch findet die Weko, dass Swisscom mit seiner "Verhaltensweise andere Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindert".
Swisscom habe die marktbeherrschende Stellung "auf dem Markt für den Zugang zur physischen Netzarchitektur mit glasfaserbasierten Übertragungsgeschwindigkeiten missbraucht", hält die Weko fest. Internetdienstleister, die dadurch im Wettbewerb behindert worden seien, "haben die Möglichkeit, kartellrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz, Genugtuung und Gewinnherausgabe mit einer Klage bei den Zivilgerichten geltend zu machen", so die Weko.
Der Telco sieht die Sache naturgemäss anders und hat weder den Sachverhalt anerkannt noch einen Kartellrechtsvertoss eingestanden.
Nebst der Busse von 18 Millionen Franken muss Swisscom die Verfahrenskosten in Höhe von 927’307 Franken tragen. Mitarbeitende der Wettbewerbskommission hatten 4427 Stunden für den Fall aufgewendet.