Die Armee will über 4 Milliarden in IT und Cyber investieren

17. August 2023 um 11:50
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Foto: VBS/DDPS / Clemens Laub unter Lizenz CC BY-NC-ND

Die Schweizer Armee soll viel Geld für Vernetzung, Cyberfähigkeiten und IT-Infrastruktur erhalten. Auch offensive Aktionen, der Schutz ziviler Einrichtungen und Künstliche Intelligenz sind Thema.

Seit gestern läuft auf dem Waffenplatz Kloten-Bülach der Grossevent "Connected". Die Schweizer Armee will dort vor allem die Themen Cyber und Digitalisierung "erlebbar" machen, wie es in der Ankündigung heisst. Zur Veranstaltung informiert sie auch über ihre Zukunftsperspektiven, die sie nicht nur wegen des Ukrainekrieges, sondern auch angesichts der Entwicklungen im Cyberspace düster zeichnet.
Neben militärischen Fähigkeiten und internationaler Zusammenarbeit steht darum auch der technologische Fortschritt im Zentrum der Strategie. In einer zum Anlass publizierten Broschüre heisst es überdeutlich: Künstliche Intelligenz und Robotik könnten die Kriegsführung stärker revolutionieren als die Einführung von Funk, Flugzeugen oder Panzern in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Dem Thema hatte sich im letzten Jahr schon die "Gesamtkonzeption Cyber" gewidmet. Damals wollte man sich bessere Cyber- und IT-Fähigkeiten bis zu 2,4 Milliarden Franken kosten lassen. Dies sah die vom Bundesrat präferierte Option bis 2030 vor. Das 100-Millionen-Loch im IT-Budget der Armee, das 2021 bekannt geworden war, wirkt da geradezu mickrig.

Offensive Aktionen

In der neuen Strategie-Broschüre ist nun die Rede von Gesamtinvestitionen der Armee von 13 Milliarden Franken bis 2030. Davon sind 4,3 Milliarden für Cyberfähigkeiten und ICT-Mittel vorgesehen. Die Armee antizipiert mit der Broschüre zugleich politische Diskussionen zu offensiven Cyberfähigkeiten, Nachrichtendienst und zivile Cybersicherheit.
Derzeit wird das Kommando Cyber aufgebaut, das ab 2024 operativ ist und Lagebild, Cyber-Abwehr, IKT-Leistungen, Führungs­unter­stützung, Kryptologie sowie elektronische Kriegsführung verantwortet. Aktionen im Cyberraum gehörten heute zum Konflikt, und zwar nicht erst, wenn ein bewaffneter Konflikt offen ausgebrochen sei, sondern bereits im Alltag, so die Broschüre.
Das Kommando Cyber soll "durch gezielte Aktionen im Cyber- und im elektromagnetischen Raum die gegnerische Führungsfähigkeit beeinträchtigen können", heisst es zu den umstrittenen offensiven Fähigkeiten in der neuen Broschüre. Es konzentriere sich dabei aber vollständig auf die einsatzkritischen Leistungen der Armee und ihrer Partner.

Zivile Infrastruktur

Zusammen mit Eigenschutz, Automatisierung von Lagebildern und Aufklärung rechnet die Armee mit 500 Millionen Franken an Investitionen. Zu den Schutzobjekten gehören auch zivile Einrichtungen, wie die Armee im letzten Jahr an der internationalen NATO-Übung "Locked Shields" zeigte. Insbesondere kritische IT-Infrastruktur der Wasser- und Energieversorgung, der Finanzindustrie sowie der Landesverteidigung sollten dort fiktiv geschützt werden, hiess es in einem Communiqué.
Inwiefern das der Armee obliegen soll, ist umstritten. Beim Schutz ziviler Einrichtungen – subsidiär, wie es von der Armee heisst – wird sie mit dem zivilen NCSC eng zusammenarbeiten müssen. Dass dieses auch gleich im VBS angegliedert wurde, wo auch Armee und Nachrichtendienst beheimatet sind, sorgte für Kritik aus der IT-Security-Szene. Viola Amherd verteidigte die Angliederung, die militärischen und zivilen Aufgaben würden schon heute klar getrennt. Bloss sind die aktuellen Ämter mit deutlich weniger heiklen Aufgaben betraut, die Interessenkonflikte erzeugen. Wenn nun die Fähigkeit zu offensiven Aktionen ausgebaut wird, dürfte das Begehrlichkeiten nach Schwachstellen in IT-Systemen wecken, statt diese Herstellern zu melden und zu schliessen.

Künstliche Intelligenz

Zu den 500 Millionen Franken für die "Wirkung im Cyber- und elektromagnetischen Raum" kommen 1,5 Milliarden Franken für den Ausbau von Nachrichtendiensten und Sensorik hinzu. Neben Radar, Drohnen und Satelliten-Systemen wird auch ein taktisches System für Nachrichtenbeschaffung am Boden bezahlt. Damit soll die Auswertekapazität des Nachrichtendienstes verbessert werden, aufgrund der grossen Datenmengen soll Künstliche Intelligenz genutzt werden.
Den grössten Posten bildet aber der Aufbau einer sicheren Kommunikations- und IT-Infrastruktur. 2,4 Milliarden Franken kostet das bis 2030. Dazu zählt neben Rechenzentren und Kommunikationsmitteln auch ein System für die Aktionsplanung. Das riesige Rechenzentrums-Projekt von Armee und Bundesverwaltung stockte lange, die letzten Noten der EFK fielen aber gut aus.

Das Budget verteilt sich über:

  • Führung und Vernetzung (2,4 Milliarden): Rechenzentren, IT-Infrastruktur, Kommunkationsmittel, IT-System für Lageplanung, satellitengestützte Kommunikation
  • Nachrichtenverbund und Sensoren (1,5 Milliarden): Radare, Sensoren, Minidrohnen, System für Nachrichtenbeschaffung, Aufbau satellitengestützte Aufklärung
  • Wirkung Cyber- und elektromagnetischer Raum (500 Millionen): Verbesserung Eigenschutz, Beschaffung Wirkmittel zur Aufklärung und Störung
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Die Broschüre "Die Verteidigungsfähigkeit stärken" kann man von der Website der Schweizer Armee als PDF herunterladen. Die "Gesamtkonzeption Cyber" gibt es beim VBS ebenfalls als PDF.



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