

Schweizer Studie: "Städte dank autonomen Fahrzeugen grüner und sicherer"
22. Juli 2022 um 14:30Eine SATW-Studie zur Zukunft des Tech-Standorts Schweiz vermittelt einen guten Überblick über autonome Systeme. Sie lässt aber die kritische Distanz missen.
Der südkoreanische Konzern Hyundai hat kürzlich angekündigt, Service-Roboter zu vernetzen und ihnen eine hohe Autonomie zu verschaffen. Sie sollen etwa selbständig Getränke und Snacks in Hotels oder Messehallen verteilen oder Flächen reinigen. Dank der Vernetzung könnten sie sich gegenseitig Aufgaben zuteilen oder über Zwischenfälle wie einen umgekippten Wischeimer oder eine Gruppe durstiger Manager an einem Messestand informieren, hofft Hyundai. Klappt das Unterfangen, dürfte das den fleissigen Catering-Angestellten ein Graus sein, zugleich erschliesst es neues Potential.
Schweizer Firmen spielen in derselben Liga mit. ABB hat kürzlich einen riesigen Tech-Campus eröffnet, wo künftig an Robotik und Automatisierung geforscht werden soll. Schliesslich wird allein der Markt für Maschinen- und Fabrikautomation seitens des Schweizer Konzerns auf rund 20 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt. Tendenz: stark steigend.
Technik leiste generell einen wichtigen Beitrag zum ökonomischen Wohlergehen und müsse darum perspektivisch eingeordnet werden. Das zumindest hält die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW) in einer neuen Studie fest, die für die Schweiz Wege und Sackgassen aufzeigen will. Im 130-seitigen Papier werden wichtige Fragen gestellt: Woran wird geforscht? Welche Chancen und Risiken ergeben sich daraus? Welche Produkte kommen auf den Markt? Und wer spielt mit?
Die Autoren der Studie haben sich auch den Bereich der autonomem Systeme angeschaut, die nach Bekunden der SATW besonders gut zur Schweiz passen. Schliesslich seien sie komplex und würden eine stark interdisziplinäre Denkweise voraussetzen, was man in der Schweiz längst erkannt habe. Zugleich würden sie viele Chancen für innovative Startups und KMU bieten und spannende Arbeitsplätze bei einer hohen Wertschöpfung schaffen, so die Vereinigung.
"Grüner, sicherer, vernetzter, autonomer…"
Autonome mobile Roboter, wie sie auch bei der ABB beforscht werden, sollen sich einst höchst flexibel einsetzen lassen und versprechen einen vielfältigen Einsatz in der Industrie, heisst es in der SATW-Studie. Aber auch Service-Roboter, wie jene von Hyundai versprechen demnach ein grosses Potential etwa in der Pflege und Unterstützung älterer Menschen. Dort sollen sie mehr Autonomie und Sicherheit mit sich bringen.
Zu autonomen Autos heisst es in der Studie: "Im besten Fall werden Städte und Vorstädte dank autonomen Fahrzeugen grüner, integrativer und sicherer." Drohnen schliesslich sollen ebenfalls breit eingesetzt werden können, hier gab es zuletzt in der Schweiz diverse Versuche und Projekte. Die EPFL hatte erst Mitte Juli ein Projekt vorgestellt, in dem der städtische Verkehr verbessert werden soll.
Die Bereiche autonomer Systeme – Autos, Roboter und Drohnen – hängen zusammen, oftmals schafft Grundlagenforschung etwa in der Sensorik die Voraussetzungen für alle drei. Auch können Technologien aus der Drohnenforschung für autonome Autos eingesetzt werden, wie die Studie festhält. So ist es nicht erstaunlich, dass die Autoren für die drei Themen zu ähnlichen Befunden kommen: Es brauche höhere Flexibilität und rechtliche Anpassungen.
In der Schweiz dürfen etwa autonome Autos aus gesetzlichen Gründen noch nicht auf die Strasse, auch wenn es einige Pilotprojekte gibt, wie die Minipostautos, die seit Herbst 2021 in Saas-Fee Gepäck schleppen. Nun stehe eine Revision des Strassenverkehrsgesetzes an, in der sich die Relevanz des Themas zeige, heisst es von den zwei Studienautoren, die sich den Bereich angeschaut haben. Die beiden arbeiten bei der Post und der SBB, beides Firmen, die selbst Versuche mit autonomen Fahrzeugen durchführen.
Förderung könnte zum Problem werden
In Sachen Förderung stellen die Autoren der Schweiz ebenfalls nicht nur gute Noten aus. Auch wenn es hierzulande Fördermittel gebe, bewegten sich diese im Vergleich zu Deutschland und dem restlichen Europa auf tiefem Niveau, heisst es zu autonomen Autos. Schweizer Organisationen profitierten momentan noch von den zahlreichen EU-Fördermitteln. Es ist aber ungewiss, ob diese Töpfe auch in Zukunft offen sind.
Zwar sieht das in der Drohnenforschung etwas besser aus, aber auch hier habe man stark von EU-Fördergeldern profitiert, die Kontinuität sei wichtig, heisst es dazu. Die Wissenschaftler formulieren damit eine implizite Forderung an die Politik in Sachen Horizon 2020. Der Bundesrat hat zwar kürzlich Übergangsmassnahmen beschlossen, dem Nationalrat ist das aber nicht genug, er will die Regierung zu Verhandlungen mit der EU zwingen.
Ein kritischer, zweiter Blick hätte gutgetan
Die Autoren aus den Technischen Wissenschaften, praktisch befasst mit ihrer Forschung, lassen hier und dort etwas die Distanz zum Gegenstand missen. Die Verfasser des Kapitels zu Autonomen Autos geben zumindest zu bedenken, dass eine effizientere Nutzung der Strassen auch eine höhere Umweltbelastung mit sich bringen könnte. Zudem drohten durch die Vernetzung Hackerangriffe noch grössere Schäden zu bewirken.
Bei den "Personal Care Robotern" fehlt aber eine solche kritische Einschätzung. Der Sicherheitsnachweis sei sehr aufwendig und bremse den Einsatz von mobilen Robotern in der Interaktion mit Menschen, heisst es dort. Und weiter: "Insbesondere im Bereich des Gesundheitswesens ist es beinahe unmöglich, Prototypen bei End-Usern frühzeitig zu testen." Der Einsatz von autonomen Systemen in der Pflege ist indes umstritten. Die Fragestellung der Studie im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) war zwar beschränkt, der primär technischen Einschätzung hätte aber ein sozialwissenschaftlicher Blick nicht geschadet.
Die Studie "Forschungslandschaft Schweiz - Ein technologisches Panorama" untersuchte 49 technologische Entwicklungen aus neun Forschungsbereichen. Sie stützt sich auf mündliche und schriftliche Interviews, die mit rund 60 Wissenschaftlerinnen und Industrievertreterinnen in der ganzen Schweiz durchgeführt wurden. Das Papier kann von der Seite der SATW heruntergeladen werden (PDF).
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