Die FDP äussert sich zu Themen wie Public Cloud, Cybersicherheit, Fachkräftemangel, digitaler Franken und E-Government.
Im Vorfeld zu den Eidgenössischen Parlamentswahlen am 22. Oktober haben wir die Fraktionsparteien im Bundeshaus zu zahlreichen digitalen Themen befragt. Während 6 Wochen zeigen wir Ihnen jeweils am Mittwoch, wie GLP, die Mitte, die Grünen, SP, SVP und FDPzu Künstlicher Intelligenz, Cloud bei Behörden, Datenschutz, IT-Beschaffungen, digitale Währungen und anderen kontroversen Digitalthemen stehen. Damit möchten wir Wählerinnen und Wählern die Möglichkeit geben, sich über die Digitalkompetenz der Parteien sowie deren Standpunkte zu informieren. Die Abfolge für die Publikation der Beiträge wurde in unserem Podcast ausgelost.
Heute: Die Freisinnig-Demokratische Partei.
Die öffentliche Verwaltung zieht in die Cloud. Wie steht die FDP zur Verwendung von Public-Cloud-Dienstleistungen durch Behörden? Welche Daten sollen dort gespeichert werden dürfen?
Eine "Swiss Cloud" könnte die Datensicherheit und -souveränität erhöhen, indem sie sicherstellt, dass die Daten innerhalb der Schweizer Grenzen bleiben und nach hiesigem Recht verarbeitet werden. Prozesse könnten effizienter, kostengünstiger und bürgerfreundlicher gestaltet werden. Wie in der analogen gibt es auch in der digitalen Welt kein Nullrisiko.
Die Schweiz verfügt über zahlreiche Universitäten, Schulen und Unternehmen, die in den Bereichen Digitalisierung und Cybersicherheit führend sind. Diese Expertise sollte genutzt werden, um zu definieren, welche Daten in einer Public Cloud gespeichert werden dürfen und welche nicht.
Manche Länder verbieten Technologien von chinesischen Anbietern. In der Schweiz ist solche Netzwerkausrüstung im Einsatz. Muss dagegen etwas getan werden?
Wenn die Gefahr besteht, dass solche Technologien gegen die Interessen der Schweiz eingesetzt werden und die Sicherheit gefährden, muss der Bund geeignete Massnahmen ergreifen. Ein generelles Verbot aus ideologischen Gründen lehnen wir jedoch ab.
Unterstützen Sie die Idee, dass sich grosse Internetplattformen an den Kosten für den Netzausbau beteiligen müssen?
Nein, denn für ein freies Internet sind die Netzneutralität zu respektieren und die Anbieter von Inhalten und Infrastruktur klar zu trennen. Zudem ist es wichtig, keine "Lex Youtube" zu schaffen und Plattformbetreiber gleich zu behandeln.
Fraktionsausflug der FDP. Foto: zVg
Mit der Post dringt ein Bundesbetrieb verstärkt in den digitalen Sektor vor. Wie stehen Sie zu den zahlreichen Übernahmen und der Strategie der Post?
Diese Entwicklung sehen wir mit Sorge. Gerade IT-Dienstleistungen können private Unternehmen besser anbieten als staatliche. Es gibt also keinen Grund, dass die Post klassische IT-Dienstleistungen anbietet, sich wie eine Krake ausbreitet und mit Staatsgeldern private Unternehmen konkurrenziert, und innovative Startups aufkauft. Die Post soll sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und dieses digital anbieten – aber nicht mehr.
Soll die Schweiz sich eine eigene digitale Währung zulegen? Könnte ein digitaler Franken die Schweizer Wirtschaft voranbringen?
Die Wirtschaft wird digitaler. Das Bargeld verliert an Bedeutung und Kryptowährungen und digitale Prozesse revolutionieren den Finanzsektor. Ein digitaler Franken könnte die Entwicklung neuer Technologien und innovativer Finanzdienstleistungen in der Schweiz fördern und die Position des Landes als Technologie- und Finanzplatz weiter stärken. Der Teufel steckt jedoch im Detail und die Risiken bezüglich Datensicherheit, Datenschutz, Finanzstabilität, Geldwäscherei oder Finanzierung krimineller Aktivitäten müssen geprüft werden. Zudem muss die Schweiz die Erfahrungen anderer Länder berücksichtigen.
Die Meldepflicht für Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen kommt. Wie steht die FDP zur Meldepflicht? Geht sie zu weit? Zu wenig weit?
Die bestehende Meldepflicht ist sinnvoll. Es geht um die Sicherheit von Infrastrukturen, die für die Bevölkerung lebenswichtig sind, wie die Versorgung mit Strom, Wasser oder Wärme. Eine Ausweitung der Meldepflicht lehnt die FDP ab, da sie für die KMU einen erheblichen Mehraufwand bedeuten würde, der in keinem Verhältnis zum Mehrwert steht.
Sollte eine solche Meldepflicht auch für Unternehmen eingeführt werden?
Nein. Eine generelle Meldepflicht für alle Unternehmen halten wir nicht für zielführend. Es ist zwar unbestritten, dass Cyberangriffe eine ernsthafte Bedrohung darstellen, aber wir sollten uns auf die Bereiche konzentrieren, die das grösste Risiko für die Gesellschaft darstellen. Dies sind in erster Linie die kritischen Infrastrukturen.
FDP-Parteipräsident Thierry Burkart: "Aus meiner Sicht ist der Schutz vor Cyberrisiken von strategischer Bedeutung"
Thierry Burkart.
Welches Digital-Thema beschäftigt Sie persönlich am meisten?
Digitale Technologien spielen eine Schlüsselrolle in modernen Gesellschaften. Gleichzeitig sind sie Gegenstand geopolitischer Auseinandersetzungen. Aus meiner Sicht ist deshalb der Schutz vor Cyberrisiken von strategischer Bedeutung. Er ist gezielt zu verstärken. Hier ist der Bund in der Verantwortung dafür zu sorgen, dass seine eigenen, zivilen Systeme von Cyberangriffen geschützt sind.
In welchen Bereichen ihres alltäglichen Lebens nehmen Sie die Digitalisierung am stärksten wahr?
Mein Leben ist bestimmt von Digitalisierung, sei es bei der Fahrplanabfrage, dem Essen bestellen, der Steuerung meiner Heizung via Smart Home-Anwendung, beim Banking oder einer Ticketbestellung. Wie sehr wir von der Digitalisierung abhängen, wird erst ersichtlich, wenn diese einmal aussteigt.
Für mich hat sich die alltägliche Kommunikation vereinfacht, sei es per Telefon, SMS oder Mailverkehr. Gleichzeitig hat sie sich aber stark intensiviert, da es quantitativ mehr digitalen Austausch gibt und mehr Informationen in höherem Tempo ausgetauscht werden. Die Erwartung jederzeitiger Verfügbarkeit stellt eine Herausforderung dar. Hier zeigt sich, dass Digitalisierung uns nur dient, wenn wir bewusst damit umgehen.
Wo hat die Schweiz ihrer Meinung nach das grösste Potenzial in der Digitalisierung?
Eine besondere Herausforderung und viel Potential sehe ich im Gesundheitswesen. Patientinnen und Patienten haben Zugang zu den modernsten Behandlungsmethoden. Es fehlt aber an der Effizienz (Stichwort Patientendossier). Hier kann uns die Digitalisierung viel bringen, indem:
… die Daten schnell triagiert und genutzt werden
… die Administration vereinfacht wird
… die Transparenz und Effizienz im System erhöht werden
… die Vergleichbarkeit der Leistungserbringer ermöglicht wird
… die Nutzung von Daten für Forschung und Innovation vorangetrieben wird
Wo sehen Sie die grössten Probleme?
Die letzten 10 Jahre erlebten wir eine Phase, in der - zumindest in den Köpfen -alles Mögliche digitalisiert wird: Drohnen, die Medikamente bringen, Roboter, die Senioren pflegen und in Hotels die Gäste empfangen, Blockchain als neues Internet. Für den Menschen im Alltag gibt es viele Ansagen, aber das alles hat noch keine Relevanz. Man liest täglich für vielversprechenden Visionen, zeitgleich aber auch von düsteren Prognosen. Optimismus, übertriebene Erwartungen mischen sich mit grosser Unsicherheit und Angst. Als Folge droht eine zunehmende Überforderung der Menschen und der Gesellschaft. Es gilt, die Menschen zu sensibilisieren und Vertrauen aufzubauen, damit für die digitale Transformation die gesellschaftliche Akzeptanz geschaffen werden kann.
Braucht die Schweiz einen Digitalminister oder eine Digitalministerin?
Nein. Aus liberaler Sicht können und wollen wir nicht für alle Herausforderungen, denen sich unser Land gegenübersieht, einen "Ministerposten" schaffen. Die Digitalisierung kann über die bestehenden Kanäle innerhalb der Verwaltung beschleunigt und gefördert werden. Es ist eine Frage des Willens, der Prioritätensetzung und der Ressourcen. Eine bessere Koordination mit unseren Schulen, Universitäten und Unternehmen, die in diesem Bereich Experten sind, wäre eine wirksamere Massnahme als die Schaffung einer neuen Stelle innerhalb der Verwaltung.
Welche Rolle soll dem neuen Bundesamt für Cybersicherheit zukommen? Und wie kann die Trennung zwischen zivilen und militärischen Aufgaben bewerkstelligt werden?
Cybersicherheit ist eine gemeinsame Verantwortung, die die aktive Beteiligung aller Akteure erfordert, von Privatpersonen und Unternehmen bis hin zu Behörden und Diensteanbietern. Das neue Amt für Cybersicherheit ist ein wichtiger Schritt. Mit ihm soll die Verwaltung in die Lage versetzt werden, sich selbst vor Angriffen zu schützen und Kompetenzen aufzubauen, um die Bevölkerung und die Wirtschaft im Kampf gegen die Cyberkriminalität zu unterstützen. Die Armee muss in der Lage sein, die eigene militärische Infrastruktur zu schützen und die Schweiz gegen Cyberangriffe von nationaler Bedeutung zu verteidigen.
Wird mit dem revidierten Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen alles besser? Geben Behörden und Verwaltung zu viel Geld für IT-Projekte aus?
Das revidierte Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es reicht jedoch nicht aus. Es braucht auch einen Kultur- und Bewusstseinswandel in der Verwaltung. In der Vergangenheit gab es leider mehrere Fälle, in denen der Bund Steuergelder in erheblichem Umfang für ineffiziente oder gescheiterte Informatikprojekte ausgab (z.B. "Fitania", "Insieme" oder "Soprano"). Fälle wie das Simap-Desaster oder der aktuelle Xplain-Fall dürfen sich nicht wiederholen und das Vertrauen in die IT-Kompetenz des Staates weiter beschädigen.
Wie steht die Schweiz bei der Digitalisierung der Verwaltung? Wo sehen Sie den grössten Aufholbedarf?
Die Verwaltung ist – wie weite Teile der Wirtschaft – in vielen Bereichen noch nicht optimal aufgestellt. Dabei sprechen wir nicht nur von Digitalisierung, sondern auch von Automatisierung, die uns hilft, wiederkehrende Arbeiten effizienter zu gestalten. Konkreten Handlungsbedarf sehen wir unter anderem in den Bereichen E-Health, E-Government (Angebot aller Dienstleistungen auf digitalem Weg) und bei den Schnittstellen zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen (Bund, Kantone, Gemeinden) und der Wirtschaft. Es braucht einen «One-Stop-Shop». Ein Hauptproblem sehen wir auch in der mangelnden Digitalisierungskompetenz vieler Führungskräfte in der Verwaltung. Dies führt dazu, dass die Chancen der Digitalisierung nicht vollständig erkannt und genutzt werden.
Der Schweiz fehlen in den nächsten Jahren Tausende IT-Fachkräfte. Müssen als Konsequenz mehr Fachkräfte aus Drittstaaten geholt oder IT-Dienste ausgelagert werden?
Wir sind gefordert, in die Aus- und Weiterbildung aller Menschen in der Schweiz zu investieren, um offene Stellen bestmöglich besetzen zu können. Gelingt uns dies nicht, ist es wichtig, dass die Möglichkeit besteht, Spezialisten und Spezialistinnen aus der EU und aus Drittstaaten in der Schweiz zu rekrutieren, damit der Wohlstand in der Schweiz bleibt und nicht ins Ausland abwandert. Es braucht aber auch ein Umdenken bei der Rekrutierung. Viele IT-Talente bilden sich selbst weiter oder haben nicht-lineare Lebensläufe. Hier muss ein Umdenken weg von Zertifikaten und Diplomen hin zu Skills stattfinden, um das Potenzial auszuschöpfen.
Foto: zVg
Eine mögliche KI-Regulierung ist in der EU und anderen Ländern ein grosses Thema. Welche Schritte muss die Schweiz hier unternehmen? Wo sehen Sie Vorteile, wo Gefahren dieser Technologie?
Eine Gesetzgebung ohne praktische Beispiele und gerichtliche Leitentscheidungen ist unüblich und erweist sich als äusserst schwierig. Es ist daher noch zu früh, ein Gesetz zu verabschieden. Viele Fragen sind noch offen. Die Antworten sollen aber in erster Linie von den betroffenen Branchen im Sinne einer Selbstregulierung gegeben werden. Öffentlichkeit und Politik sollten diesen Prozess beobachten und daraus lernen. Strengere Regeln können immer noch zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden.
Inwiefern setzt die FDP Künstliche Intelligenz ein?
Die FDP nutzt Deepl für Übersetzungen und hat in einem Experiment eine Pressemitteilung mit ChatGPT verfasst. Im Wahlkampf haben wir ein Plakat mit KI-Unterstützung erstellt. Wir verfolgen die Entwicklung aktiv und interessiert, testen und probieren gelegentlich etwas aus. Bei der FDP gibt es klare Nutzungsregeln. Audiovisuelle Inhalte, auch unser Plakat, haben wir transparent gekennzeichnet. Auch missbrauchen wir KI nicht (Deepfakes), um Wählerinnen und Wähler mit gefälschten Inhalten zu täuschen.
Was gehört zu einem digitalen Service Public? Wie stehen Sie zur Einführung von E-ID, E-Voting oder dem Elektronischen Patientendossier (EPD)?
Wir fordern, dass die Verwaltung ihre Dienstleistungen für die Bevölkerung rasch modernisiert, um sie zugänglicher, einfacher und effizienter zu machen. Gleichzeitig gilt es, die Datensicherheit und den gleichberechtigten Zugang der Bevölkerung zu diesen neuen Technologien zu gewährleisten. Die E-ID bildet die Grundlage für das gesamte E-Government. Unsere Partei hat das Projekt nach dem Scheitern an der Urne wieder auf den Tisch gebracht. Gleichzeitig müssen auch die demokratischen Rechte dem digitalen Zeitalter angepasst werden.
Welche Rolle muss dem Datenschutz bei der Digitalisierung solcher Dienste und Personendaten zukommen? Genügen die momentanen Instrumente mit dem aktualisierten Datenschutzgesetz?
Private Daten und die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger müssen respektiert werden. Die FDP hat die Beratungen zum Datenschutzgesetz aktiv mitgestaltet und dabei darauf geachtet, dass die Daten geschützt werden und gleichzeitig die Bürokratie nicht ausufert. Wichtig sind aber auch Rechtssicherheit und Gleichwertigkeit mit europäischen Standards für die vernetzte Wirtschaft.
Welche Art von Daten sammelt die FDP von Wählerinnen und Wählern?
Wir verweisen hier auf unsere Datenschutzbestimmung auf der Webseite.
Über welche digitalen Kanäle wird Werbung im Wahlkampf geschaltet?
Wir werben auf allen gängigen Kanälen, auf denen es erlaubt ist und wo wir unsere Wähler erreichen können. Dazu gehören Facebook, Instagram, Google, Youtube und Linkedin. Wir nutzen auch Newsletter und unsere eigene Website, um mit unserer Wählerschaft zu kommunizieren.
Wahl-Report 2023
Am 22. Oktober stehen die eidgenössischen Wahlen an. Inside-it.ch befragt die 6 Fraktionsparteien im Bundeshaus zu digitalen Themen.