Der Umsatz
stagnierte bei Adnovum zuletzt – soll nun aber dank Investitionen in die Salesorganisation und das Offering wieder an Dynamik gewinnen, wie uns CEO Thomas Zangerl im Interview erzählt hat. Wir haben nachgefragt und unter anderem auch über das neue Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (Embag) gesprochen, das Anbieter quasi zum Open-Source-Ansatz zwingt.
Warum vermeldete Adnovum einen stagnierenden Umsatz?
Es war ein Konsolidierungsjahr, das so geplant war. Grund dafür war das Wachstum im Vorjahr um 20%. Dieses Jahr wollen wir im Rahmen des Marktes wachsen, und es sieht danach aus, als würden wir das erreichen.
Sie erhielten einen grossen Freihänder im Bereich IAM. Weshalb war dieser im Ergebnis nicht spürbar?
Beim Freihänder handelt es sich um einen Rahmenvertrag für "Softwarelizenzen, Wartung, Support und Weiterentwicklung". Er läuft ab 2024 über acht Jahre und ermöglicht die Weiterführung des bestehenden Geschäfts. Das freut uns sehr, führt jedoch nicht direkt zu Umsatzwachstum.
In welchen Bereichen tut sich Adnovum derzeit schwer?
Im Neukundengeschäft. Deshalb haben wir an unserer Salesorganisation gearbeitet und unsere Offerings verbessert. Solche Veränderungen brauchen Zeit, bis sie greifen.
Sehen Sie schon erste Verbesserungen?
Ja, wir sind schon besser unterwegs. Aber wir sind noch nicht am Ziel und es ist uns wie gesagt bewusst, dass es dauern kann. Neue Sales-Verantwortliche müssen zuerst eine Vertrauensbasis zu den Kunden herstellen.
Haben Sie bewusst Personen ausgetauscht?
Das nicht, aber wir haben Kompensationssysteme verändert und Prozesse messbarer gemacht. Dadurch haben sich gewisse Personalwechsel ergeben.
Sie machen wesentliche Anteile des Umsatzes in den Bereichen Banken/Versicherungen und öffentliche Hand. Die Teilnahme an Ausschreibungen ist für Sie essenziell wichtig.
Ja, die Kunst ist, nur bei jenen Ausschreibungen mitzumachen, die man auch gewinnen kann – und auf die anderen zu verzichten.
Wie machen Sie das? Entwickeln Sie ein Bauchgefühl?
Es geht meistens um die Preise und die Referenzen. Beides können wir relativ gut einschätzen und wissen, ob wir in den jeweiligen Marktsegmenten eine Chance haben oder nicht. Manchmal machen wir aber auch aus strategischen Überlegungen mit, zum Beispiel, um einen Fuss in ein neues Gebiet setzen zu können.
Wie viel Prozent der Ausschreibungen gewinnen Sie, an denen Sie mitmachen? Ist diese Kennzahl überhaupt relevant?
Ehrlich gesagt, weiss ich die Zahl nicht auswendig. Wir schauen auf den Sales-Funnel, aber die Effizienz der Offerteinreichungen messen wir noch nicht. Das wäre aber durchaus eine interessante Zahl.
Und was ist die Kunst, um solche Freihänder wie im Bereich IAM zu erhalten?
(überlegt) Wir sind schon lange für den Bund tätig in diesem Bereich und haben bereits sehr viele Applikationen integriert. Zu den Entscheidungsprozessen beim Bund betreffend Beschaffungsverfahren kann ich nichts sagen, da sind wir nicht involviert.
Parallel zum Freihänder läuft noch eine Ausschreibung über 180 Millionen, ebenfalls im Bereich IAM. Ist Adnovum zugelassen?
Ja, wir haben Angebote eingereicht – aber nicht für alle Lose. Der Zuschlag wird voraussichtlich im vierten Quartal 2024 erfolgen.
Wenn Sie für den Bund arbeiten, sind Sie wegen des Embag wie alle anderen Anbieter auch zu Open Source verpflichtet. Gefällt Ihnen das?
Es verpflichtet den Bund zu Open Source. Wenn wir eine kundenspezifische Software herstellen, gehen die IP-Rechte mit Projektabschluss an den Bund über. Diese Software muss der Bund unter Open-Source-Lizenz zur Verfügung stellen.
Schadet das Ihnen als Anbieter nicht, wenn Ihre Software frei genutzt werden kann? Früher hätten Sie diese noch ein zweites Mal verkaufen können.
Nein, auch früher sind IP-Rechte meistens an den Kunden übergegangen. Ausserdem braucht es oft Beratungsdienstleistungen, wenn andere unsere Open-Source-Komponenten nutzen. Insofern ist das auch für uns als Anbieter eine Chance. Insgesamt halte ich das Embag für eine gute Sache, weil es die Digitalisierung von Behörden fördert.
Das bedeutet aber, dass Adnovum als Unternehmen sich wandeln wird und Consulting-Dienstleistungen immer wichtiger werden?
Ja. Projekte werden sich hin zu Beratungen und Integrationen verändern. Aber das können wir heute schon, wir werden uns diesbezüglich nicht stark wandeln.
Vor etwas mehr als einem Jahr wurde der Cyberangriff auf Xplain publik. Was hat sich aus Ihrer Sicht seither an den Ausschreibungen des Bundes verändert?
Die Anforderungen werden höher, zum Beispiel an ISO-Zertifizierungen. Das hat seine Berechtigung, löst aber das Kernproblem nur teilweise.
Was kostet Sie das?
Eine ISO-27000-Zertifizierung einer Firma von der Grösse einer Adnovum kostet eine halbe Million Franken. Hinzu kommen Zertifizierungen und weitere Anforderungen, etwa im Bereich Nachhaltigkeit mit ISO 14000. Mit Assessments und laufenden Penetration-Tests kommt eine Summe von einer knappen Million zusammen.
Wer zahlt das? Sie selbst oder ihre Kunden?
Bis jetzt tragen wir das selbst. Aber wir werden das überschlagsmässig auf verschiedene Projekte verteilen müssen. Aktuell geht das zu Lasten der Profitabilität.
Schlussendlich geht es aber nicht um das Zahlen von Rechnungen, sondern um Verantwortung. Wer ist für die Sicherheit verantwortlich? Sie oder Ihre Kundinnen und Kunden?
Unter dem Strich ist immer derjenige verantwortlich, der die Daten besitzt. Das heisst wir sind zwar für die Sicherheit unserer Daten und Systeme verantwortlich, für die Sicherheit der eigenen Daten ist der Kunde jedoch selbst verantwortlich.
Wie stellen Sie sicher, dass Adnovum keine Daten besitzt?
Wir speichern keine Kundendaten bei uns. Aber es gibt natürlich Bereiche, zum Beispiel das Ticketingsystem, in denen sich das nicht in jedem Fall verhindern lässt. Wenn da Fälle erfasst werden, kann es sein, dass im Einzelfall auch solche Daten zu uns gelangen. Sollte das passieren, löschen wir die Daten aber oder geben sie zurück.
Gibt es Punkte, die Behörden bei Beschaffungsprozessen verbessern können?
Mich stört, dass die Prozesse total analog sind. Wenn wir bei einer Ausschreibung mitmachen, müssen wir auch heute noch meist einen Ordner voll Papier liefern und gefühlt etwa 20-mal unterschreiben. Diesen Aufwand könnte man sich aus meiner Sicht sparen. Etwas Zweites stört mich auch noch …
… ja?
Die Tendenz zum Body Leasing – weil der Bund damit die IT-Projektrisiken insourct, was es bei Werkverträgen weniger gibt. Ausserdem nutzt der Bund bei Body Leasing die Innovationsfähigkeit der Industrie nicht. Wer einen Werkvertrag an ein Unternehmen vergibt, erhält ein anderes Commitment, als wenn eine zusammengekaufte Truppe von Spezialisten eingesetzt wird.
Das müssen Sie als Anbieter ja sagen.
Ich sage das auch als Steuerzahler.
Aber gerade für Steuerzahler sind solche Projekte ein Problem, weil sie am Ende teurer werden als ursprünglich vorgesehen.
Das liegt manchmal daran, dass die Anforderungen nicht von Anfang an klar genug definiert sind. Dann kommt es zu Change Requests und Verzögerungen. Es wäre wichtig, sich am Anfang des Projekts genügend Zeit zu nehmen, um zu definieren, was gewünscht ist. Aber vielleicht liegt das auch am Ausschreibungsverfahren an sich, dass das nicht klappt.
Warum?
Bei grösseren Projekten könnte man unter der Ausschreibungsschwelle vier oder fünf Anbieter nehmen und sie mit einem Konzept beauftragen. Sie zum Beispiel skizzieren lassen, wie sie die Architektur bauen würden. So erhielte der Auftraggeber das innovative Know-how der Industrie und hätte verschiedene Varianten auf dem Tisch, wie er etwas angehen könnte. Vorgesehen ist das bei den aktuellen WTO-Verfahren aber leider nicht.
Blicken wir in die Zukunft: Was ist von Adnovum zu erwarten?
Wenn wir schneller wachsen wollen als der Markt, ist das organisch schwierig. Unsere Mitbewerber sind fleissig unterwegs und kaufen kleinere und grössere Firmen zusammen. Das haben wir bislang nicht gemacht, aber das ist eine Möglichkeit für die Zukunft.
Sind Sie sich am Umschauen?
Momentan sind wir hier noch opportunistisch unterwegs. Es müsste vieles passen, damit wir diesen Schritt wagen.
Xplain lag auf dem Gabentisch.
Aufgrund des entstandenen Imageschadens stehen Xplain schwierige Jahre bevor. Daher bin ich hinsichtlich eines möglichen Verkaufs eher skeptisch.