Über den Glasfaserstreit haben wir hinlänglich berichtet. Es geht im Kern um die Frage, mit welcher Technologie Swisscom die Schweiz ausrüstet: Point-2-Multipoint (P2MP) oder Point-to-Point (P2P).
Swisscom hat viel zu lange am P2MP-Modell festgehalten und so dafür gesorgt, dass rund eine halbe Million bereits mit Glasfasern versorgte Haushalte kein schnelles Internet bestellen können. Vor
rund einem Jahr habe ich nachgerechnet, dass dieser Fehlentscheid den Konzern rund eine halbe Milliarde Franken gekostet hat.
Swisscom hat das mittlerweile eingesehen und rüstet die gebauten Anschlüsse
freiwillig auf P2P-Technologie um. Freiwillig deshalb, weil die entsprechende Verfügung der Wettbewerbskommission (Weko) weiter auf sich warten lässt, obwohl diese für Ende 2023 erwartet worden war.
Warum die Verfügung noch nicht publiziert wurde, ist unklar. Es könnte sein, dass
Swisscom dies mit Änderungsanträgen verzögerte. Auffällig ist jedenfalls, dass sich zum Jahresende verschiedene Akteure zugunsten von Swisscom äusserten.
Aktuelle und ehemalige Politikerinnen und Politiker stützen Swisscom
Einerseits via Politik: Im September forderte FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger
in einer mittlerweile zurückgezogenen Motion, dass bereit gebaute Glasfaseranschlüsse zeitnah in Betrieb genommen werden. Dafür solle sich der Bundesrat einsetzen.
Zwei Monate später schrieb der Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann in einer Interpellation zur Blockade der halben Million Anschlüsse martialisch, dass der Bundesrat aktiv werden müsse, "um Schlimmeres zu verhindern". Dabei wählte er den irreführenden Titel "
Weko behindert Glasfaserausbau in der Schweiz". Irreführend ist das deshalb, weil Swisscom durch den Entscheid, so lange an P2MP festzuhalten, den Ausbau höchstselbst verhinderte.
Ruedi Noser will offensichtlich kein Wettbewerbsrecht
Andererseits äusserte sich der ehemalige Zürcher Ständerat Ruedi Noser via Medien zum Thema. "Die Wettbewerbskommission spielt beim Netzausbau nach eigenem Ermessen den Ersatzregulator", schrieb Noser in der '
NZZ'. Das sei eine Übersteuerung des gesetzgeberischen Willens, die "klar der demokratischen Legitimation und der Gewaltenteilung zuwiderläuft".
Der Unternehmer und FDP-Politiker missachtet dabei sträflich, dass sich die Weko auf das Kartellgesetz stützt und einschreiten muss, wenn sie den Wettbewerb gefährdet sieht. Damit verhindert sie nicht den Ausbau, sondern ein mögliches Glasfaser-Monopol von Swisscom. Dass das Vorgehen der Weko legitim ist, sehen übrigens auch das Bundesgericht und das Bundesverwaltungsgericht so.
Markt ist so offen wie möglich zu halten
Für mich ist es geradezu erstaunlich, dass eigentlich marktgläubige Politikerinnen und Politker wie Schneeberger, Salzmann und Noser ausgerechnet im Telekom-Markt offensichtlich keinen Markt wollen. "Dieser ist so offen wie möglich zu halten, damit alle in der Schweiz tätigen Fernmeldedienstanbieter Zugang zur unbeleuchteten Glasfaser bekommen und ihre eigenen Produkte konfigurieren können", schreibt auch Ex-Weko-Präsident Andreas Heinemann ebenfalls in der '
NZZ' (Paywall).
Wie geht es nun weiter? Noch sind 3 Fragen offen:
- Erhält Swisscom eine Busse?
- Wann publiziert die Weko endlich ihre Verfügung?
- Wie hoch fällt die allfällige Busse aus?
Wie hoch wird die Busse ausfallen?
Zur zweiten Frage sage ich voraus, dass es nicht mehr allzu lange dauert und wohl noch im ersten Quartal 2024 passiert. Und letztlich ist eine Prognose zur Höhe der Busse schwierig. Aber bei unserer Story zu den Plänen des Bundesrats,
750 Millionen Franken in die Netzwerkinfrastruktur zu investieren, hatte ich natürlich sofort den Gedanken: Könnte diese Investition 1:1 mit der Swisscom-Busse finanziert werden? Aber 750 Millionen Franken wären natürlich viel zu viel.
Oder nicht?